Der Nautilus-Plan
waren geschlossen und sein Gesicht schlaff, aber es war Asher. Und er lebte! Seine schwarzen Brauen und das dicht gelockte schwarze Haar hoben sich deutlich von dem weißen Krankenhaus-Kissenbezug ab. Die einzelnen grauen Strähnen an seinen Schläfen ließen ihn furchtbar verletzlich aussehen.
»Was soll das?«, schimpfte sie. »Warum ist er nicht im Krankenhaus? Warum …«
Aber die Männer gingen bereits wieder. Einer warf eine Papiertüte auf die Bahre. Die Tür ging zu. Das Schloss klickte.
»Asher, Liebling.« Sie küsste ihn auf die Stirn. »Asher?«
Er reagierte nicht. Eine Träne lief ihre Wange hinunter. Sie wischte sie wütend weg. Er lebte; das war die Hauptsache.
Sie sah sich den Tropf an. Zu ihrer Erleichterung war es nur eine Kochsalzlösung, um ihn zu hydratisieren. Seine Hauttemperatur fühlte sich normal an. Die Papiertüte enthielt zwei Fläschchen mit Tabletten, die Etiketten mit französischer Beschriftung, ohne Angabe eines Arztes oder einer Apotheke. Eines enthielt ein Antibiotikum, das andere ein Schmerzmittel. Außerdem war in der Tüte Verbandsmaterial, wie es Krankenhäuser in großen Mengen einkauften und wie es in Apotheken nicht erhältlich war. Sie hob die Decke und sein Krankenhaus-Nachthemd an und sah sich den Verband auf seiner Brust an. Sauber, kein Blut oder Eiter, keine stark geröteten Hautpartien, die auf eine Infektion hindeuteten.
Erleichtert, schob sie die Bahre neben ihre Pritsche und setzte sich. Als sie Ashers Wange streichelte, begann er sich zu regen. »Asher, Schatz, kannst du mich hören?« Sie strich ein paar Locken aus seiner Stirn. Als seine Augenlider zu flattern begannen, küsste sie ihn aufs Ohr und flüsterte: »Ich bin’s, Sarah. Du bist jetzt bei mir. Es ist schrecklich, dass sie dich erwischt haben, aber ich bin froh, dass du noch am Leben bist.«
Seine Stimme war unbeschwert, fast verträumt. »Hi, Liebling.«
Sie wich zurück. »Asher! Warst du schon die ganze Zeit bei Bewusstsein?«
»Nein, erst seit kurzem.« Er sah ihr in die Augen. »Hab nur etwas gewartet, um sicher zu gehen, dass sie nicht zurückkommen. Die Drecksäcke haben mich im Krankenhaus mit Medikamenten voll gepumpt. So haben sie mich nach draußen geschmuggelt.«
Sarah schnürte sich die Kehle zusammen. »Asher …«
»Komm her«, forderte er sie heiser auf. »Ich kann noch gar nicht glauben, dass du es wirklich bist. Du hast mir so gefehlt. Es war fürchterlich, mit ansehen zu müssen, wie sie dich in ihre Gewalt brachten.«
Sie beugte sich vor, um ihn auf die Wange zu küssen, aber er erwischte ihre Lippen mit den seinen. Was sie als zärtliche und aufbauende Geste gedacht hatte, explodierte zu ungeahnter Intensität. Zu Überlebenswillen und Auflehnung und Lebensgier. Sein Mund war fest und unwiderstehlich. Ihr wurde am ganzen Körper heiß. Er schlang einen Arm um sie und zog sie an sich. Sie schmolz dahin.
Als er sie losließ, hatte sie weiche Knie. Sein dunkles Gesicht glühte.
»Du überrascht mich immer wieder von neuem.« Sie lächelte ihn an. Die schmerzende Leere, die sich in den letzten zwei Tagen um ihr Herz gelegt hatte, war verflogen. »Wie schlimm ist deine Verletzung. Mit so einer Brustwunde ist nicht zu spaßen.«
»Glatter Durchschuss. Na ja, eine Rippe und ein paar andere Sachen hat die Kugel schon erwischt. Aber sie haben die Splitter rausgeholt und mich zusammengeflickt. Ich habe die Nähte gesehen. Gute Arbeit.« Er sah sich in ihrer Zelle um. »Die Arzte meinten, ich könnte in ein paar Tagen entlassen werden, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dabei an das hier gedacht haben. Reden wir lieber über das, was wirklich wichtig ist – über dich.« Seine Stirn legte sich in Falten, als er sie prüfend betrachtete. »Bei dir alles okay?«
»Mal abgesehen davon, dass ich einen leichten Zellenkoller habe, geht es mir gut. Sieh mich nicht so an, Asher. Ich mache dir nichts vor. Es geht mir wirklich gut, vor allem jetzt, wo ich weiß, dass du auf dem Weg der Besserung bist.«
»Ab sofort kann es gar nicht mehr besser werden«, erklärte er. »Wir sind wieder zusammen.«
»Sie haben keine Chance, egal, wer sie sind.«
»Weißt du das denn nicht?«
»Ich weiß nur, dass sie sich große Mühe geben, nicht von mir erkannt zu werden, und das kann eigentlich nur heißen, dass sie vorhaben, mich irgendwann wieder freizulassen. Aber verlassen möchte ich mich darauf natürlich lieber nicht. Und du?«
»Die drei Kerle, die mich im Krankenhaus
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