Der Nebel weicht
fehlte die monumentale Würde des Todes. Sheila betrat die Eingangshalle. Sie sah keinen Menschen, aber in einer Ecke stand ein rätselhaftes Ding, dessen Lämpchen rhythmisch aufglühten, während es leise vor sich hin summte. Sheila ging auf den Fahrstuhl zu, zögerte kurz und benützte die Treppe. Sie wußte nicht, was sie in der Zwischenzeit mit dem Fahrstuhl angestellt hatten – vielleicht funktionierte er jetzt vollautomatisch, vielleicht reagierte er direkt auf telepathische Befehle, vielleicht hatten sie inzwischen einen Hund als Fahrstuhlführer.
Im siebten Stock blieb sie schwer atmend stehen und ging dann den Gang entlang. Er zumindest hatte sich nicht verändert – die Männer hier hatten genug anderes zu tun. Aber die alten Leuchtstoffröhren waren nicht mehr da, jetzt war es die Luft selbst – oder die Wände, die Decke, der Boden? –, die das Licht spendete. Das schattenlose Leuchten machte es ausgesprochen schwierig, Entfernungen abzuschätzen.
Sie blieb vor dem Eingang zu Petes altem Labor stehen und schluckte ihre Furcht herunter. Sei nicht albern, sagte sie sich, sie werden dich schon nicht fressen. Aber was haben sie inzwischen darin getan? Und was machen sie jetzt?
Sie gab sich einen Ruck und klopfte. Nach einem kaum wahrnehmbaren Zögern: „Herein!“ Sie drehte den Türknauf und trat ein.
Der Raum hatte sich so gut wie nicht verändert; und das war vielleicht am schwersten zu verstehen. Einige der Apparate standen durch langen Nichtgebrauch verstaubt in einer Ecke, und sie verstand das Ding nicht, das dort auf drei Tischen gewachsen war. Aber so war es immer schon gewesen, wenn sie ihren Mann besucht hatte, ein Wirrwarr aus Geräten und technischem Kram, mit dem sie in ihrer unwissenden Beschränktheit einfach nichts anzufangen wußte. Es war immer noch derselbe große Raum, die Fenster öffneten sich zu einem herzlos strahlenden Himmel und entfernt liegenden Docks und Lagerhäusern, ein schäbiger Kittel hing an der fleckigen Wand, und ein schwacher Hauch nach Ozon und Gummi lag in der Luft. Die abgegriffenen Nachschlagewerke lagen immer noch auf Petes Tisch, sein Tischfeuerzeug – sie hatte es ihm zu Weihnachten geschenkt, oh, wie lange war das her – lief langsam neben einem leeren Aschenbecher an, der Stuhl war ein wenig zurückgeschoben, als sei er nur kurz weggegangen und würde jeden Augenblick zurückkommen.
Grunewald blickte von dem Ding, an dem er arbeitete, auf und blinzelte in der kurzsichtigen Art, an die sie sich erinnerte. Er sah müde aus, seine Schultern waren noch gebeugter als früher, aber das breite, helle Gesicht war dasselbe geblieben. Ein dunkelhäutiger junger Mann, den sie nicht kannte, assistierte ihm.
Er machte eine linkische Handbewegung. (Na so was, Mrs. Corinth. Das ist eine freudige Überraschung. Kommen Sie herein.)
Der andere Mann grunzte, und Grunewald deutete auf ihn. (Das ist) „Jim Manzelli“, sagte er. (Er hilft mir momentan gerade aus. Jim, das ist) „Mrs. Corinth“, (die Frau meines ehemaligen Chefs).
Manzelli nickte kurz. (Freut mich, Sie kennenzulernen.) Er hatte den Blick eines Fanatikers.
Grunewald kam zu ihr herüber, während er seine verschmutzten Hände am Kittel abwischte. „Warum“ (sind Sie hier, Mrs. Corinth?)
Sie antwortete langsam und fühlte ihre Scheu scharf in der Kehle. (Ich wollte mich nur) „Umsehen.“ (Ich) „werde“ (Sie) „nicht“ (lange) „aufhalten.“ Blicke, sich ineinander verkrampfende Finger: Bitte um Verständnis.
Grunewald sah sie näher an, und sie las in seinem Gesicht Schock: Du bist schrecklich dünn geworden! Da ist irgend etwas Gehetztes, Ruheloses – deine Finger sind ständig in Bewegung. Mitgefühl: Arme Sheila, es war ziemlich
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