Der Novembermörder
nichts anmerken.
»Es hat eine scharfe Schneide, mit der man Sehnen und Knorpel abhackt. Mit der breiten, platten Breitseite schlägt man aufs Fleisch, damit es dünner und mürber wird. Ich glaube, heute wird es nicht mehr so viel benutzt wie früher. Heute ist das Fleisch ja schon geschnitten und geklopft, wenn man es kauft.«
»Wir müssen den Griff des Fleischerbeils mit den Griffen der Geräte vergleichen, die hier hängen. Es scheint alles die gleiche Serie zu sein. Und hier ist ein leerer Haken«, sagte der Kommissar.
»Ich habe das Gefühl, das sind nur Dekorationsstücke. Die Geräte scheinen mir nie benutzt worden zu sein. Ich habe noch nie einen so jungfräulichen Schneebesen gesehen! Und guck mal, die Griffe sind Ton in Ton mit den Fronttüren«, schnaubte Irene.
Sie zeigte auf eine Tür an der hinteren Wand.
»Ich möchte wissen, wohin die wohl führt?«
»Sieht aus wie eine ganz gewöhnliche Tür zur Hintertreppe. Die Jungs sollen das morgen überprüfen«, beschloss Andersson. Er unterdrückte ein erneutes Gähnen, bevor er weitersprach: »Ich glaube, wir waren ziemlich gründlich für einen ersten Durchgang durch die Wohnung. Oder haben wir etwas vergessen?«
Irene war klar, dass die Frage des Kommissars rhetorisch gemeint war, aber diese Tür hier störte sie. Eine Erinnerung tickte herausfordernd in ihrem Hinterkopf, und jetzt platzte sie auf und wurde zum Bild. Sie erinnerte sich an die vier Türen unten auf dem quadratischen kleinen Hinterhof. Wenn sie es richtig verstanden hatte, mündeten die fünf Treppenstufen der jeweiligen Haupteingänge dort. Etwas, das wie eine Hintertreppe aussah, hatte sie nicht gesehen. Es gab allen Grund, hinter die Tür zu schauen, bevor sie gingen.
Andersson seufzte, tappte ihr aber nach zu der Tür. Mit einem vorsichtigen Schubs bekam sie die Tür auf. Dahinter befand sich keine Hintertreppe, sondern ein großer Wirtschaftsraum. Die Lichtkegel der Taschenlampen huschten über Putzschrank, Trockner, Trockenschrank und Waschmaschine. An Letzterer blinkte eine rote Lampe und zeigte, dass die Wäsche fertig war. Wieder benutzte Irene ihren Stift, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen oder bereits vorhandene auszuwischen, als sie die Klappe der Waschmaschine öffnete.
»Bettzeug. Er hat Bettzeug und Handtücher in die Waschmaschine gesteckt, bevor er seinen Mörder traf«, erklärte sie voller Dramatik dem Kommissar.
Sie gingen wieder durch die Küche hinaus, quer über den Teppich in der Eingangshalle und inspizierten noch die Gästesuite. Hinter der Tür befand sich ein großzügiges Schlafzimmer mit einem breiten Doppelbett. Aber auch als sie einen hastigen Blick ins Gästebadezimmer warfen, gelang es ihnen nicht, etwas von Interesse zu entdecken.
KAPITEL 3
Irene Huss fuhr durch das mitternachtsstille Göteborg heim. Hier und dort zeigte sich schon der erste Weihnachtsleuchter in den Fenstern, obwohl es doch noch mehr als eineinhalb Wochen bis zum ersten Advent waren. Lag das an den immer früheren Weihnachtsauslagen in den Schaufenstern, oder war es nur ein Zeichen der Sehnsucht nach Licht in der undurchdringlichen Winterdunkelheit? Apropos Licht: Jenny brauchte einen neuen Kerzenhalter für ihr Fenster. Der alte hatte letztes Jahr einen Kurzschluss gehabt. War sie es gewesen oder Katarina, die erklärt hatte, sie wollte lieber einen Stern haben? Manchmal war es schon schwierig, sich daran zu erinnern, welche von beiden was gesagt hatte. Aber auch wenn sie Zwillinge waren, waren die Mädchen in jeder Beziehung so unterschiedlich, dass Leute oft nicht einmal glaubten, dass sie Schwestern waren. Jenny war Krister ähnlich, ein wenig schweigsam und genauso blond wie er. Aber sie hatte nicht das Interesse ihres Vaters an der Kochkunst geerbt, sie war in erster Linie von Musik besessen. Katarina war dunkel wie Irene, nach außen gewandt und sportlich. Schon mit zehn Jahren war sie mit Irene zum dojon gegangen. Nun war sie dreizehn und war dabei, sich auf den grünen Gürtel vorzubereiten, den ukemi-waza.
Irene selbst war siebzehn gewesen, als sie ihn gemacht hatte. Mit neunzehn wurde sie nordische Meisterin in Jiu-Jitsu, zwei Jahre später Europameisterin. Vor siebzehn Jahren hatte es zwar noch keine große Konkurrenz in Europa auf der Damenseite gegeben, aber es hatte ihr trotzdem einen hohen Status in der Polizeischule eingebracht.
Ihre Kurskameraden sprachen heute noch von der Episode, als ein Lehrbeauftragter an die Schule kam, um ihnen einen Vortrag
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