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Der Novembermörder

Der Novembermörder

Titel: Der Novembermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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sagte: »Du hast überhaupt nichts verstanden.«
    Steif und mechanisch erhob sie sich. Ohne ihn anzusehen, verschwand sie auf dem Flur. Er verstand also nichts von Frauen! Jedenfalls soweit es Jonny betraf. Dass sie wütend wurde und Angst kriegte, nachdem Bobo Torsson sie angegriffen hatte, dafür hatte er ja nun vollstes Verständnis. Aber er hatte keine Idee, was er denn sonst noch hätte verstehen sollen.
    Was für ein Tag. Und er war noch nicht einmal zu Ende. Das einzige Positive im Augenblick war, dass die Kopfschmerzen nachließen.

KAPITEL 11
    Das Weinen brannte im Hals. Sie versuchte zu rufen, aber Jenny und Katarina hörten sie nicht. Deren glucksendes Lachen verhallte in der Luft. Sie wirbelten davon, immer höher, dem perlmuttschimmernden Himmel entgegen. Sie versuchte ihnen hinterherzufliegen, aber tausende von Wiesenblumen hielten sie mit ihren weichen, unsichtbaren Händen in der warmen Humuserde zurück. Vergeblich versuchte sie sich mit den Füßen gegen die Erde zu stemmen, um Luft zu kriegen. Aber die Zehen gruben sich nur noch tiefer in den Boden und geschmolzenes Metall lief durch ihre Adern.
     
    »Guter Gott, sorg dafür, dass sie nicht in den Tunnel gesogen werden!« Sie betete schluchzend. Bis sie bemerkte, dass es gar keinen Lichttunnel gab, sondern nur einen Spalt zwischen den perlenrosa Wolken, durch die ein freundlicher, hellblauer Sommerhimmel blitzte.
    Mit einem Ruck wachte Irene auf und setzte sich im Bett auf. Sammie knurrte verärgert. Er lag so gemütlich mit dem Kopf auf ihrem Schienbein. Kein Wunder, dass ihre Füße eingeschlafen waren und sich bleischwer anfühlten. Er durfte eigentlich nicht ins Bett, kroch aber immer im Morgengrauen hinein. Was zu diesem Zeitpunkt ohne Risiko war, denn niemand hatte dann Lust, mit ihm zu diskutieren. Jetzt war es halb sechs, sie hatte knapp fünf Stunden geschlafen. Und fühlte sich hellwach. Das lag natürlich daran, dass sie mehrere Stunden im Zug vor sich hin gedöst hatte.
    Krister schnarchte laut neben ihr. Er musste nicht vor neun mit der Arbeit anfangen. Ein Freudenschauer durchfuhr sie bei dem Gedanken, dass sie sich heute einen richtig gemütlichen Abend machen wollten. Sie würde die Kartoffeln schälen und den Salat waschen. Vielleicht auch noch den Wein öffnen. Er würde etwas Leckeres auf dem Herd zaubern und gnädigst den Applaus entgegennehmen. Applaudieren tat sie gern, wenn sie nur drum herum kam, selber zu kochen. Sie legte sich wieder hin, versuchte den Hund mit den Füßen hinunterzuschubsen, aber der rollte sich nur auf den Rücken, streckte die Pfoten in die Luft und tat, als schliefe er. Was er auch bald wirklich tat. Hund und Herrchen begannen einträchtig im Zweivierteltakt zu schnarchen. Mit einem Seufzer wurde ihr klar, dass sie ebenso gut aufstehen konnte.
     
    Der Traum war glasklar gewesen. Sie konnte alle Einzelheiten vor sich sehen. Man brauchte kein ausgebildeter Traumdeuter zu sein, um seine Bedeutung zu verstehen. War sie wirklich so besorgt, weil die Zwillinge selbstständig wurden? Sie fühlte ein starkes Ohnmachtsgefühl, spürte, dass sie ihre Töchter nicht gegen alle Gefahren schützen konnte. Etwas, das sie gelesen oder gehört hatte, kam ihr in den Sinn: »Du kannst deinen Kindern niemals deine Erfahrungen übermitteln. Als Mutter oder Vater kannst du nur versuchen, deine Angst und Unruhe zu verbergen. Versuche behutsam zu lenken, wenn alles schief geht. Sei als Ansprechpartner präsent.« Es gab ihr einen Stich im Herzen und sie schnitt dem dichten Novemberdunkel vor der Windschutzscheibe eine Fratze. Obwohl es auf der Autobahn fast leer war, fuhr sie, ganz gegen ihre Gewohnheit, nicht einmal die zugelassene Geschwindigkeit. Warum fiel es ihr so schwer, den Traum abzuschütteln? Vielleicht weil sie während ihrer Zeit bei der Polizei so viel Elend gesehen hatte? Jugendliche, die eiskalt aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurden, die eines gewaltsamen Todes starben und denen wenige oder niemand nachtrauerte. Sie waren Opfer sozialer Armut, der Arbeits- und Hoffnungslosigkeit, schlechter Freunde und Drogen. Manchmal genügte es schon, dass sie zum falschen Zeitpunkt am falschen Platz waren. Wie John. Sie erschauerte bei der Erinnerung an eines der Ereignisse, das sie beruflich stark erschüttert hatte.
    Tommy und sie waren der Kungälvspolisen ausgeliehen worden, um diese bei der Ermittlung des Mordes an dem vierzehnjährigen John zu unterstützen. Es war in einem August gewesen, bei

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