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Der Novembermörder

Der Novembermörder

Titel: Der Novembermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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außergewöhnlich heißem, schönem Wetter. John und ein Freund waren an den Ingetorpssjön gefahren, um dort zu zelten. Abends tauchten vier Glatzköpfe auf. Mindestens zwei von ihnen waren stark berauscht. Nur einer von ihnen kannte John von früher. Das war ein Fünfzehnjähriger, der in die gleiche Schule ging und ihn schon seit längerer Zeit verfolgt und gemobbt hatte. Die anderen drei hatten John noch nie gesehen. Fast zwei Stunden lang spielten die vier Glatzköpfe ein grausames Katz-und-Maus-Spiel. Mal waren sie »nett«, dann misshandelten sie John und seinen Freund wieder. John wurde in den See geworfen, aber als er davonschwimmen wollte, zwangen sie seinen Freund zu rufen: »Bitte, bitte John, komm zurück. Sonst verprügeln sie mich!«
    Er kehrte um und rettete damit das Leben seines Freunds. Aber er selbst wurde bewusstlos getreten und ins Wasser gerollt. Während er ertrank, drehten die Täter sich eine Zigarette und unterhielten sich am Strand.
    Ihr wurde plötzlich bewusst, dass sie die Zähne so fest zusammenbiss, dass ihr der Kiefer wehtat. Ihr harter Griff um das Lenkrad ließ die Finger verkrampfen. Aber die Erinnerung ließ sie nicht so schnell los: die grinsenden Glatzköpfe, die während der Gerichtsverhandlung so taten, als ginge sie das alles nichts an und mit Papier raschelten. Ihre Verteidiger baten um Nachsicht für die jungen Mörder. Sie konnten schließlich für ihr Leben Schaden davontragen. Dass sie bereits ein noch jüngeres Leben ausgelöscht hatten, schien plötzlich nicht mehr so wichtig. Die unbeschreibliche Verzweiflung der Eltern. Das verbitterte Flüstern der Mutter vor dem Gerichtssaal: »Die üben Nachsicht mit den Angeklagten, aber nicht mit dem Opfer. Es gibt keine Moral und keinen Respekt.«
    Irene bog auf den Parkplatz des Polizeipräsidiums ein, stellte den Motor ab, blieb aber noch im Auto sitzen. Gegen die dunkle Windschutzscheibe wurden weiter die Erinnerungsbilder projiziert. Die Fotos des Staatsanwalts, der Johns gequälten Körper zeigte. Der Junge hatte am ganzen Körper Wunden. Aber die Täter hatten ganz besonders auf den Kopf gezielt. Das Gesicht war geschwollen, die Augen kaum noch zu sehen und die Lippen geplatzt. Kopf und Hals hatten von den vielen Blutergüssen eine groteske dunkellila Farbe. Es war nicht mehr viel von ihm zu erkennen nach dieser blindwütigen Folter. Viele der Zuhörer ertrugen die Bilder nicht, sie verließen weinend den Gerichtssaal. Der verzweifelte Vater konnte nicht mehr an sich halten. Er stand auf und schrie den vier unbeeindruckten Glatzköpfen zu: »Nun guckt euch das verdammt noch mal an!« Einer hob den Kopf, schaute aber neben die Leinwand. Der Fünfzehnjährige starrte mit ausdruckslosem Blick vor sich hin. Keiner von ihnen verzog eine Miene, als der Staatsanwalt ausführte, wie sie den Mord begangen hatten. Die Eltern waren von einer wachsenden Wut erfüllt gewesen. Es hatte sie nach Rache verlangt. Doch gab es in so einem Fall irgendeine Form von Gerechtigkeit? In all den Jahren hatte sie sich diese Frage oft gestellt, aber nie eine befriedigende Antwort darauf gefunden. Vielleicht gab es sie einfach nicht.
    Warum kam ihr diese schmerzhafte Erinnerung gerade jetzt in den Sinn? Wahrscheinlich war die CD daran schuld, auf die sie fast getreten wäre, als sie sich gegen Mitternacht durch die Haustür hineingeschlichen hatte. Die Scheibe war aus Jennys offener Schultasche gefallen. Zuerst hatte Irene sie wieder in die Tasche gestopft, aber ein unbewusstes Signal veranlasste sie, sie doch noch einmal hervorzuziehen. Doch, sie hatte in dem schwachen Schein der Flurlampe richtig gesehen. Es war ein Hakenkreuz auf der Hülle. Und der Name der Gruppe war »Svastika«, das Wort für Hakenkreuz auf Sanskrit. Sie musste ihre gesamte Selbstbeherrschung aufbringen, um den Impuls zu unterdrücken, sofort in Jennys Zimmer zu stürmen und diese zur Rede zu stellen! Stattdessen schaute sie nur durch den Türspalt hinein, wie sie es immer tat, und sah, dass ihr kleines Mädchen friedlich schlief, das goldblonde Haar auf dem Kopfkissen ausgebreitet. Das musste bis zum Abend warten. Oder bis morgen. Denn heute Abend sollte ja der gemütliche Abend stattfinden, das war so geplant.
    Ein Blick auf ihr Armaturenbrett sagte ihr, dass es fast sieben war. Zeit um auszusteigen und einen Bericht über den gestrigen Stockholmtrip zu schreiben. Das würde nicht einfach werden.
     
    Der Bericht war so gut wie fertig, als Tommy Persson und Hannu Rauhala

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