Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)
hatte. Dieses Gefühl hatte seinen Höhepunkt dann in dem Reisspeicher erreicht, als der Kleine Kawabata ihn eingeschlossen hatte. Hier war er ein Teil der Landschaft – Gras war sein Kissen, der Mond seine Lampe. Und er war mit vier Menschen beisammen, die er kannte und mochte und denen er vertraute.
Doch als sie am nächsten Abend aufbrachen, wurde er nervös. Nach der Einsamkeit des Hochgebirges erschien ihm die große, schalenförmige Ebene um Nagoya mit ihren Feldern, quakenden Fröschen und Rauchfahnen, die hier und da in den zu weiten Himmel stiegen, als mögliche Falle einer anderen Art. Hier war es allzu leicht, von Feinden entdeckt und eingekreist zu werden, ohne dass man sich irgendwo verstecken konnte.
»Es fühlt sich an, als sei das Land selbst gegen uns«, bemerkte Yukiko.
Tarō nickte. Sie standen auf der Straße nach Nagoya, und es war offensichtlich, dass die anderen seine Befürchtungen teilten. »Weil es Odas Land ist«, sagte er. »Es will uns hier nicht haben.« Während er sprach, kreiste laut krächzend eine Krähe über ihren Köpfen.
Shūsaku schüttelte den Kopf. »Das Land wird uns dafür lieben, dass wir es von Odas Herrschaft befreien. Es steht auf unserer Seite.«
Tarō war dem Ninja dankbar für diese Worte, aber nicht recht überzeugt davon. Der Wind seufzte in Bambus und Blättern, und er hätte beinahe glauben können, dass es das verheerte Land selbst war, das diese schrecklichen Laute hervorbrachte. Die gesamte Landschaft schien eine Art uraltes, geistloses Bewusstsein zu besitzen. Die Bäume nahmen die Gestalt seltsamer Kreaturen an, und das Pfeifen des Windes schien aus der Kehle des Erdreichs selbst zu kommen, ein leises, klagendes Heulen, inhaltslos, aber bösartig.
Der Hügel von Nagoya ragte wie ein unheilvolles Auge über dem grausam entvölkerten Tal auf. Der schnellste Weg dorthin war die Straße, die schnurgerade in die Stadt führte, und da sie als einfache Bauern verkleidet waren, trat Shūsaku offen auf den Weg. Tarō behielt die Felder um sie herum nervös im Auge, ebenso wie die breite, leere Straße vor ihnen. Da sie so gerade war, waren die Reisenden in beide Richtungen auf große Entfernung gut zu erkennen.
Er fühlte sich völlig ungeschützt. Im Licht der Sterne und des Mondes erschienen ihm die bewässerten Reisfelder wie ein schimmerndes Meer, auf dem die fünf Wanderer klein und verwundbar wirkten, viel zu gut sichtbar für Raubtiere, obgleich zwei von ihnen selbst Raubtiere waren. Als sie dieses Meer aus gespiegeltem Licht überquerten, kam Tarō sich so klein und unbedeutend vor, dass er glaubte, jeden Moment könnte sich ein Netz um ihn und seine Gefährten schlingen, in dem sie eingeschnürt wurden, bis eine grobe Hand sie auf den schwarzen Sand irgendeines grässlichen Ufers zerrte.
»Tja«, sagte Heikō, »jetzt können wir noch umkehren. Oder wir stehen das durch, und du kannst deinen Vater rächen, Tarō.«
»Ich kehre nicht um«, erklärte Hirō sofort. Tarō schwoll das Herz vor Stolz auf seinen Freund, und die Landschaft vor ihm erschien ihm gleich weniger furchteinflößend. »Falls uns jemand sieht«, fuhr Hirō fort, »wird er uns für Bauern halten. Außerdem rechnen sie nicht damit, dass wir zwei Mädchen dabeihaben.« Er sah Yukiko an. »Du gibst eine gute Tarnung ab. Ich wusste doch, dass du nicht völlig nutzlos sein würdest.«
Yukiko verdrehte die Augen. »Meinst du, ich würde davor zurückschrecken, um Hilfe zu schreien und zu behaupten, du hättest mich als Geisel genommen?«
Tarō und Heikō wechselten lächelnd einen Blick. Falls sie tatsächlich Kira Kenji oder einem von Odas Ninja begegnen sollten, wusste Tarō zumindest, dass er sich um Hirō und Yukiko keine Sorgen zu machen brauchte.
Er würde sich eher um jeden sorgen, der es für klug hielt, die beiden anzugreifen.
Da nun die Frage, ob sie umkehren sollten oder nicht, geklärt war, setzten sie ihren Weg auf der Straße fort. Nachdem sie etwa vier Räucherstäbchen lang marschiert waren, begegneten ihnen zwei Bauern, ein Ehepaar mit einem kleinen Karren, auf den offenbar ihr gesamter Besitz gehäuft war. Shūsaku drehte sich nach ihnen um, sagte aber nichts.
Ein halbes Räucherstäbchen später kam ihnen eine weitere Familie entgegen, die offenbar in die Berge fliehen wollte.
Als sie sich trafen, verneigte Shūsaku sich zum Gruß. »Gibt es da vorne Schwierigkeiten?«, fragte er.
Die Bauern wirkten verängstigt und blickten sich ständig mit hastigen,
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