Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)
der Schlangenzunge seines Bartes breit grinste –
Die Szene verdunkelte sich und verschwamm vor Tarōs Augen. Oda hob das blutige Schwert –
Hana schrie: »Nein!«
Die Klinge schimmerte in der Luft, nur einen Fingerbreit vor Tarōs Gesicht, und schien vor abrupt gebremster Energie zu summen.
Hana trat vor ihren Vater hin, zitternd, aber trotzig. »Nicht, Vater. Er hat mir das Leben gerettet. Er wurde hierhergeschickt, um mich zu ermorden, aber er hat mich verschont. Er ist ehrenhaft.«
»Ist das wahr?«, fragte Oda Tarō.
Tarō nickte schwach.
Oda wandte sich von ihm ab, umfasste das Gesicht seiner Tochter mit beiden Händen und sah sie mit sanftem, traurigem Blick an. »Ach, meine kleine Blüte. Du weißt, dass ich dich liebe, nicht wahr?«
Hana schlug die Augen nieder. »Ja«, flüsterte sie.
»Du besitzt die Schönheit deiner Mutter. Aber auch ihr Mitgefühl für andere.«
Er hob ihr Kinn an. »Und deshalb musst du sterben.«
Kapitel 75
Hana keuchte und wehrte sich gegen die Hände ihres Vaters, die ihr Gesicht nun fest umklammerten. Tarō versuchte, aufzustehen und ihr zu helfen, doch seine Beine wollten ihn nicht tragen.
»Der Junge ist Tokugawas Sohn«, fuhr ihr Vater fort. »Er verweigert mir das, was ich unbedingt haben will. Aus diesen beiden Gründen muss er sterben.« Seine Stimme klang traurig. »Hana, Hana. Dein Mitgefühl macht dich blind. Es gibt keinen Platz dafür in der Oda-Dynastie, im Oda-Shōgunat, das bald über dieses Land herrschen wird. Es würde das Blut meiner Enkel vergiften, wenn ich dich am Leben ließe.«
»Aber –«
»Du bist nicht länger eine Samurai.« Er hielt inne, um ihr mit dem Daumen eine Träne von der Wange zu wischen. »Weine nicht, kleine Blüte. Glaub mir, dein Tod wird mir mehr Schmerzen bereiten als dir. Aber ich habe mein Haus nicht zum Sieg über Imagawa geführt, indem ich gütig oder mitfühlend war.«
Hana schrie und wand sich im Griff ihres Vaters. Sie schwang ihr Schwert, doch er schlug es beiläufig mit dem Knie beiseite und traf Hana dabei so hart am Handgelenk, dass das Schwert durch die Luft flog und klirrend ein paar Stufen höher landete. Er schleuderte sie gegen die Wand. Hanas Sperber, der sich an ihr Handgelenk klammerte und heftig mit den Flügeln schlug, stieß ein scharfes Ki aus.
Hana selbst gab einen Laut von sich wie ein Wal, der Wasser bläst, und glitt zu Boden. Fürst Oda hob das Schwert, bereit, seine einzige Tochter zur Strafe für ihren Ungehorsam auszuweiden.
Tarō versuchte aufzustehen, doch seine Oberschenkel zitterten. Sein Hakama war mit seinem eigenen Blut getränkt.
Fürst Oda stieß zu.
Und dann geschahen zwei Dinge beinahe gleichzeitig.
Hana musste das Geschüh des Sperbers gelöst haben, denn er flatterte plötzlich von ihrer Hand und stieß ein zorniges Kreischen aus, das beinahe wie menschliches Schimpfen klang –
Ki, ki, ki, ki, ki.
Er konnte wegen der Haube zwar nichts sehen, aber sehr wohl hören, und er stürzte sich auf Fürst Oda und fuhr ihm kreischend und flatternd mit den Krallen durchs Gesicht.
Oda ließ das Schwert fallen, packte den Vogel und schlug ihn gegen die Wand. Der Sperber regte sich nicht mehr.
Doch dann waren von unten hastige Schritte zu hören. »Ah«, sagte Oda. »Meine Wachen. Vielleicht überlasse ich es ihnen, euch beide zu töten.«
Doch die Gestalt, die von unten erschien, war ganz in Schwarz gekleidet und trug eine Maske. Oda wirbelte herum, wandte sich dann aber wieder Tarō und Hana zu. Sein Schwert schwankte wie hin und her gerissen.
Selbst auf der düsteren Treppe erkannte Tarō die Augen des Ninja. Dann sah er Hirō hinter ihm die Treppe heraufkeuchen.
»Er hat mich überrumpelt«, sagte Hirō. »Es tut mir leid.«
Der Kleine Kawabata zuckte mit den Schultern. »Der Junge ist dick und langsam.«
»Das brauchst du gerade zu sagen«, erwiderte Hirō.
Odas Blick huschte zwischen Tarō und dem neuen Ninja auf der Treppe unter ihm hin und her. »Wer bist du?«, fragte er mit schriller Stimme.
»Mein Name ist Kawabata«, sagte der Junge. »Und Tarō hätte mich einmal beinahe getötet. Ich bin gekommen, um das auszugleichen.«
Fürst Oda lächelte.
Kapitel 76
»Ihr habt keinen Grund zu lächeln«, sagte der Kleine Kawabata. »Ich sagte, er hätte mich beinahe getötet. Der entscheidende Punkt ist, dass er mir das Leben gerettet hat. Und jetzt werde ich das Gleiche für ihn tun, wenn ich kann.«
Oda fuhr herum, sein Schwert peitschte von Tarō in Richtung
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