Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)
Samurai in voller Rüstung gesehen. Der Alte öffnete zittrig den Mund und versuchte zu sprechen.
»Was hast du da in deinem Beutel?«, fragte der Samurai.
Der alte Mann zog die Kordel auf und holte die Honigwabe heraus. Er zeigte sie den Soldaten.
»Aha«, sagte der Samurai. »Honig, gestohlen aus Daimyō Odas Wald. Warum gibst du ihn nicht gleich her? Betrachten wir ihn als Steuer. Wir sind die ganze Nacht lang geritten und könnten etwas zu essen gebrauchen.«
»A-a-aber das hier ist der freie Wald. Ich bezahle meine Steuern in Reis.« Die Stimme des Mannes zitterte, und in seinen Augen schimmerten Tränen.
»Der freie Wald gehört ebenfalls dem Daimyō. Oder willst du leugnen, dass alles in dieser Provinz seiner Herrschaft untersteht? Deine Reisabgabe ist keine Steuer oder Bezahlung für irgendetwas, du gibst lediglich dem Fürsten etwas von dem zurück, was ihm bereits gehört. Genau, wie du dem Daimyō gehörst, und dieser Wald und die Bienen in diesem Baum da. Du hast diese Honigwabe dem Fürsten Oda gestohlen.« Der Samurai beugte sich im Sattel vor, schnappte sich die Honigwabe und warf sie einem seiner Gefährten zu. »Und obendrein verbeugst du dich noch nicht einmal vor uns, wie es unserem Rang gebührt.«
Der alte Mann stammelte eine Entschuldigung und verneigte sich tief – sogar so tief, wie man es vor einem Daimyō erwarten würde.
Doch das war dem Samurai nicht genug. »Tiefer«, befahl er. Der alte Mann fiel auf die Knie.
Tarō wurde schlecht von dem, was er sah. Einen Moment lang flackerten die Gesichtszüge des Alten und wurden zum Gesicht von Tarōs Vater. In diesem Augenblick empfand Tarō puren Hass auf Shūsaku, der den Tod seines Vaters nicht verhindert hatte und auch jetzt nichts unternahm, um diesem armen Bauern zu helfen. Er griff nach seinem Bogen. Doch etwas traf ihn am Arm, und er drehte sich um und sah Shūsaku, der heftig den Kopf schüttelte. Tarō wandte sich ab, ignorierte den Ninja und hob den Bogen. Er zielte auf den Anführer der Samurai.
Dann stand Shūsaku – der eben noch die Breite von zwei Tatami-Matten entfernt gewesen war – plötzlich hinter ihm und presste Tarō die Hände auf den Rücken. Er wehrte sich und wollte schreien, da wurde ihm ein Tuch fest über den Mund gebunden. Seine Hände auf dem Rücken konnte er immer noch nicht bewegen. Shūsaku musste sie irgendwie gefesselt haben, aber wie hatte der Ninja das so schnell zuwege gebracht?
Tarō konnte nur kochend vor Wut zusehen, wie der Samurai den Bauern weiter demütigte.
»Tiefer«, befahl er erneut, als der Mann auf Knien versuchte, sich wieder zu verneigen. »Ich bin Kira Kenji vom Klan Kira, und ich will sehen, wie du den Schmutz zu deinen Füßen isst, um diesen Fleck auf meiner Ehre zu tilgen.«
Der alte Mann senkte sich noch tiefer hinab, bis er mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden lag. Kira lachte und wandte sich zu seinen Männern um. »Gib mir ein Stück von der Wabe«, befahl er. Einer der Samurai reichte es ihm, und er schnupperte daran. »Mmm«, sagte er. »Das riecht gut. Mein Fürst würde mir gewiss zustimmen, denn die Blumen und die Bienen, die diesen Honig gemacht haben, gehören zu seinem angestammten Lehen.« Kira warf die Honigwabe weg. »Und jetzt« – mit großer Geste zog er sein Schwert – »stirbst du.«
Doch statt den alten Mann zu erstechen, stieß Kira das Schwert mit einem lauten Swock zurück in die Scheide. »Moment. Schau zu mir auf, Bauer.« Der alte Mann blickte hoch. »Hast du zwei Jungen und einen älteren Mann hier durchkommen sehen? Einer der Jungen ist ein Aussätziger.«
»N-n-nein«, stammelte der alte Mann. »Ich bin der Einzige, der je hierherkommt, wegen des Honigs. Ich habe eine kleine Hütte weiter unten …«
Der dünne Samurai zog erneut sein Schwert, ließ es aber seufzend wieder in die Scheide gleiten. »Nein«, sagte er. »Ich will meine Klinge nicht mit deinesgleichen beschmutzen.« Er nahm mit der linken Hand die Zügel auf und wendete das Pferd, um davonzureiten. Mit der rechten Hand machte er hinter dem Rücken eine scharfe Geste.
»Oh«, sagte der alte Mann, der vom Boden aus Kiras Geste nicht hatte sehen können. »Oh, ich danke Euch, verehrter Herr. Danke, dass Ihr mich versch-«
Einer der rangniederen Samurai durchtrennte dem Mann den Hals, noch während er sprach, und als der Kopf über den moosigen Boden rollte, gab er weiterhin ein pfeifendes, krächzendes Ooooo von sich, als wollte er noch sein letztes Wort
Weitere Kostenlose Bücher