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Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Titel: Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Lake
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Schlafplätze.«
    Doch Tarō musste an seine Mutter denken  – oder jedenfalls die Frau, die er stets als seine Mutter gekannt hatte. Heikō und Yukiko mochten von klein auf dazu bestimmt sein, Ninja zu werden, wie Shūsaku gesagt hatte. Aber er selbst war nur aus einem einzigen Grund hier  – um zu erfahren, wohin sie geflohen war, und sich auf die Suche nach ihr zu machen. »Die Taube?«, fragte er Shūsaku. »Ist sie angekommen?«
    Shūsaku trat zu Kawabata hinüber und sprach kurz mit ihm. Tarō sah Kawabata den Kopf schütteln, und sein Körper bebte wie ein geschlagener Gong.
    »Keine Spur von ihr«, sagte Shūsaku, als er zu ihnen zurückkehrte. Als er Tarōs Miene sah, fügte er hinzu: »Aber mach dir keine Sorgen. Wenn sie weit zu fliegen hat, könnte es eine Weile dauern, bis die Taube hier ankommt.«
    Tarō nickte. Doch wie weit konnte seine Mutter geflohen sein? Er mochte ein Bauer sein, der nicht lesen konnte, doch er war klug genug, um zu wissen, dass eine Taube die gleiche Strecke viel schneller zurücklegte als ein Mensch zu Fuß. Und waren er, Shūsaku und Hirō nicht auf dem Weg zum Berg viele Ri weit gewandert?
    Die Taube hätte vor ihnen hier sein müssen.
    »Es war mein bester Vogel«, sagte Shūsaku. »Er wird schon kommen. Und wenn nicht, werde ich dir selbst bei der Suche nach deiner Mutter helfen. Das schwöre ich.«
    Tarō lächelte den Mann an. Er glaubte ihm. »Also gut«, sagte er. Plötzlich war er unendlich müde. »Zeig uns bitte, wo wir schlafen.«
    Shūsaku führte sie in eine Höhle, die von dem Krater ausging. Wieder musste Tarō ein Keuchen unterdrücken. Sie folgten einem Gang, der in einen weiteren Tunnel führte, und zu beiden Seiten sah er noch mehr von Kerzen erhellte Gänge, Türen, aus denen Leute in unverhohlener Neugier herausspähten, und sogar Verschläge, aus denen Schweine mit ihren freundlichen, dummen Augen glotzten. Tarō erkannte einen Stall, als sie in Shūsakus üblichem schnellem Tempo daran vorübereilten. Die Pferde schauten ihm nach und schnupperten mit bebenden Nüstern. Selbst die Pferde bemerkten Neuankömmlinge.
    Tarō war sicher, dass er den Rückweg niemals finden würde. Das hier war keine Höhle  – das war ein Netz von Straßen und Gassen, ein ganzes Dorf im Fels. Hin und wieder kamen sie an einer Öffnung vorbei, die nicht zu einem weiteren Gang gehörte. Stattdessen erhaschte er beispielsweise einen Blick in ein Esszimmer, mit Tatami-Matten auf dem Boden und kleinen lackierten Holztischen mit Schalen und Essstäbchen, oder einen schlichten Raum mit Kissen und bemalten Wandschirmen. In manchen dieser Räume blickten Leute auf, wenn sie vorbeigingen, und beobachteten sie mit ausdruckslosen Mienen.
    Schließlich bogen sie in einen Gang ab, der tiefer hinabführte als die zuvor, und erreichten am Ende eine weitere Höhle. Die Wände waren mit Reliefs von wilden Tieren, Göttern und Dämonen verziert. Und auch hier leuchteten Kerzen in zahllosen Haltern. Die Höhle war voller Ausrüstung: Holzpferde, Schwertständer, Tische mit Bogen und Armbrüsten darauf. Rüstungsteile lagen auf dem Boden gestapelt, und mit einigen hatte man Puppen aus Stroh und Leder eingekleidet; die sahen aus wie kopflose Geister von Kriegern, die in irgendeiner schrecklichen Schlacht umgekommen waren. Das Ganze erinnerte Tarō an ein Armeelager, das mutwillige Kami vom Schlachtfeld hierher in diese unheimliche Höhle verschleppt hatten.
    Shūsaku lachte. »Beeindruckend, nicht wahr? Das ist die Waffenkammer. Ihr werdet hier schlafen, zusammen mit den anderen Kindern  – darunter auch dem Kleinen Kawabata, dem Sohn des charmanten Mannes, den ihr da draußen kennen gelernt habt. Wir gewöhnen unsere jungen Leute gern früh an die Nähe von Waffen.«
    »Wir schlafen hier ?«, fragte Hirō und stupste mit dem Fuß einen ledernen Brustharnisch an.
    »Nicht direkt hier, nein.« Shūsaku durchquerte den Raum und zeigte ihnen Löcher, die in die Felswand gehauen waren. Sie waren so lang wie ein Mann, die Öffnungen halbkreisförmig. Jede dieser Nischen war mit mehreren Decken ausgelegt und wurde von einer großen Kerze in einer Wandhalterung beleuchtet. Es waren gemütliche kleine Alkoven.
    » Hier «, sagte Shūsaku, »werdet ihr schlafen.«
    »Wenn wir Glück haben«, fügte Heikō hinzu. »Der Kleine Kawabata schnarcht wie ein Schwein. Ihr könnt euch ein Tuch um die Ohren wickeln, aber das nützt auch nichts. Manchmal glaube ich, der Bengel tut das mit Absicht.« Sie sah

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