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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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Gesichtsfeld. Er hatte rötliche, strubbelige Haare, eine dicke Brille, spröde Lippen und einen großen Leberfleck am Kinn.
    »Setz dich hier aufs Sofa«, sagte die Alte und gab dem Jungen einen kleinen Schubs. »Und fass bloß nichts an!«
    Der Junge rümpfte die Nase. Er setzte sich auf das Sofa und blickte sich neugierig um, während die Alte in der Küche die Gießkanne mit frischem Wasser füllte.
    Es dauerte nicht lange, da begegneten sich unsere Blicke. Auch der Sandmann schien um die Aufmerksamkeit des Jungen zu buhlen. Der Junge wollte sich gerade vom Sofa erheben, als die Alte mit der Gießkanne ins Wohnzimmer kam und kläffte: »Bleibst du wohl sitzen!«
    Der Junge zuckte zusammen und sank auf das Sofa zurück.
    Während die Alte die Blumen goss und dem Jungen dabei immer wieder abfällige, kontrollierende Blicke zuwarf, saß dieser eingeschüchtert und kerzengerade auf dem Polster und rührte sich nicht von der Stelle. Erst als die Alte das Wohnzimmer verließ, um erneut die Gießkanne zu füllen, schnellte er wie ein Klappmesser vom Sofa hoch. Er hüpfte mit zwei federleichten Sprüngen und so leise, dass kein Laut zu hörenwar, ans Fenster und auf mich zu. Er packte mich am Wanst, steckte mich unter seinen Pullover und hüpfte ebenso geschmeidig und leise zurück zum Sofa.
    Als die Alte mit der vollen Gießkanne wieder ins Wohnzimmer kam, saß der Junge auf dem Sofa, als wäre zwischenzeitlich nichts geschehen, und sagte: »Oma, ich muss aufs Klo.«
    Schnell war mir klar, dass der schlitzohrige Junge seine Oma nur in ein Gespräch verwickeln wollte, damit ihr nicht auffiel, dass da, wo vorher ich gestanden hatte, jetzt nichts mehr war.
    »Na, dann geh«, sagte die Alte missmutig und fügte hinzu: »Aber nicht hier oben!«
    So schnell, wie der Junge vom Sofa zum Fenster gehüpft war, sprang er nun zur Wohnungstür und von da die Treppen hinunter, wobei er immer zwei Stufen auf einmal nahm.
    Der Junge brachte mich aber nicht in die Wohnung der Nachbarin, wie ich es erwartet hatte, sondern rannte immer weiter die Treppen hinunter, bis es nicht mehr weiterging. Er trat hinaus auf den Hinterhof und öffnete eine Tür, die in den Keller führte. Unten angekommen, ging er den dunklen Flur entlang und zog mich unter seinem Pullover hervor.
    »Wenn die Luft rein ist«, sagte er, »hole ich dich wieder raus.« Dann versteckte er mich hinter den Kohlesäcken.
    Da verharrte ich dann und schaute an den rußigen Säcken vorbei in den Flur und den angrenzenden Vorraum des Kellers, wo Fahrräder, eine Schubkarre und Gartengeräte standen.
    Lange geschah nichts. Ab und zu ging das Licht an und gleich darauf wieder aus. Als ich schon nicht mehr damit rechnete, dass überhaupt noch etwas passieren würde, wurde dieTür langsam einen Spaltbreit aufgeschoben. Zwei Gestalten huschten herein. Hinter ihnen ging die Tür sofort wieder zu. Flüstern war zu hören. Dann Gekicher. Das Licht blieb aus. Ich konnte nur vage Schemen erkennen, nicht weit von mir entfernt.
    »Mist! Jemand hat uns gesehen!«
    »Quatsch.«
    »Doch! Der Kleine aus dem dritten Stock.«
    »Blödsinn. Der ist doch halb blind.«
    »Du spinnst ja.«
    »Hast du dem seine fetten Brillengläser schon mal gesehen? Mann, die sind sooo dick! und die Augen dahinter sind sooo groß!«
    Wieder wurde gekichert. Es waren ein Mädchen und ein Junge.
    »Und wenn er es seiner Oma petzt?«
    »Was soll er denn petzen, wenn er nichts weiß?«
    Ein Streichholz flammte auf.
    »Du musst ziehen, nicht pusten.«
    Es roch nach Rauch.
    Das Mädchen hustete. Der Junge lachte.
    »Bäh, das schmeckt ja scheußlich.«
    Der Junge lachte noch mehr.
    »Wie meine Katze am Hintern.«
    »Wie der Hund meiner Tante aus dem Maul.«
    Schritte waren auf der Treppe zu hören. Das Lachen des Jungen verstummte. Beide horchten auf.
    »Mist! Da kommt jemand«, kam jetzt leise von dem Mädchen.
    »Los, hinter die Säcke.«
    »Mach die Zigarette aus, du Trottel!«, zischte das Mädchen.
    »Aua! Pass doch auf!«
    Die beiden kauerten jetzt ganz dicht neben mir hinter den Kohlesäcken.
    Die Tür ging auf, das Licht an. Schritte kamen den Flur entlang, bis sie abrupt stehen blieben.
    »Was ist denn hier los?« Eine tiefe Männerstimme. Sie klang nach Ärger. »Himmelherrgott! Diese Schlawiner! Habe ich’s doch richtig gesehen.«
    Die Stimme wurde lauter. Der Mann brüllte den Flur entlang, als wären seine Worte an die beiden neben mir gerichtet.
    »Ich wusste gleich, dass die hier rauchen!«
    Jetzt kam er

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