Der Orksammler
Sternkunde oder wüsste etwas über die Bahnen der Himmelskörper. Aber Sie wissen ja, wie schnell solcher Unsinn die Runde macht!«
Hippolit nickte langsam. »Wurden in der Folge weiterhin Orks für Nachtpatrouillen eingesetzt? Ich meine, nachdem klar war, dass der Unbekannte es speziell auf sie abgesehen hatte?«
Der General nickte grimmig. »Außer ihnen meldete sich ja kaum noch jemand für diese Aufgabe! Nur von Rachegelüsten zerfressene Orkkrieger, die danach dürsteten, den Tod ihrer Kameraden zu sühnen.« Er verzog gequält das Gesicht und warf Hippolit einen fast flehenden Blick zu. »Was meinen Sie – können Sie uns helfen? Unsere Lage ist ernst! Wir hatten bereits mehrere Dutzend Fälle von Fahnenflucht. Das unausgesetzte Verschwinden neuer Soldaten streut Sand in das Räderwerk unserer militärischen Maschinerie. Sollten weitere Soldaten getötet werden, ohne dass wir etwas dagegen unternehmen, fürchte ich früher oder später eine offene Revolte, mit der das Heer eine Verlagerung unseres Standortes durchsetzen wird. Und das wäre eine Tragödie!« Er fuhr sich fahrig mit einer Hand über die stachlige Frisur.
Hippolit nickte kaum merklich und grübelte eine Weile stumm vor sich hin. Jorge nutzte die Gesprächspause und schenkte sich erneut Wein nach. Als er die Karaffe zurückstellte, war sie leer.
»Sie erwähnten vorhin, als es um den ersten verschwundenen Wachmann ging, den Fund eines Schwertes«, Ließ sich Hippolit wieder vernehmen. »Gab es sonstige Spuren, zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht?«
Ortlov fummelte die Reitgerte aus seinem Gürtel und bog sie mit nervösen Fingern zu einem großen U. »Manchmal fanden wir Blut, einmal ein zerfetztes Stück eines Lederpanzers. In vielen Fällen war der Kiesboden aufgewühlt, als ob ein Kampf stattgefunden hätte. Aber eine konkrete Fährte, die wir hätten verfolgen können, gab es nie.«
»Du hast da vorhin so eine Andeutung gemacht, General«, mischte sich Jorge ein. Er spähte kritisch in seinen Krug, dessen Füllpegel ihn aber noch zufriedenstellte. »Etwas über den ›Zustand‹, in dem die Verschwundenen wieder aufgetaucht seien. Gemäß eines alten Trollsprichworts macht niemand eine Andeutung, wenn er damit nicht etwas andeuten will. Es sei denn, er ist geisteskrank.« Er sah den General fragend an.
General Ortlovs Hände, die die Gerte bogen, erstarrten in der Bewegung. »Stelle fest: Sämtlichen Vermissten, die wir während des letzten Zenits in der Nähe des Lagers wiederfanden, war unter massiver Gewalteinwirkung der Brustkorb geöffnet und das Herz aus der Leibeshöhle gerissen worden.«
»Alter Spalter!« Jorge nahm einen Schluck. »Wie und wo habt ihr die armen Burschen gefunden? Deine Jungs werden kaum mittags frei bekommen, um rings um das Lager Blumen zu pflücken, oder? Ich meine, das wäre doch komisch, wo es in dieser Einöde doch gar keine Blumen …«
»Agent Jorge«, hob Ortlov etwas lauter an. »Wenn Sie die Verantwortung für mehrere Tausend Krieger tragen, ist es Ihre militärische Pflicht, derartigen Vorfällen nachzugehen I Natürlich sandte ich nach dem Verschwinden jedes Postens Suchmannschaften aus, die die weitläufige Umgebung des Lagers durchkämmten.«
»Und diese Suchtrupps«, hakte Hippolit nach. »Wo genau entdeckten sie die Leichen?«
»Kein Körper lag weiter als eine halbe Meile entfernt, meist in grob nördlicher Richtung.«
»In grob nördlicher Richtung. Höchst interessant.« Gedankenverloren beobachtete Hippolit seinen Assistenten, der mit der Handfläche auf den Boden seines hoch über den Kopf gehobenen Kruges klopfte in der Hoffnung, es möge noch ein letzter Rest Wein herauskommen.
»Wurden alle Vermissten wiedergefunden?«, erkundigte er sich.
»Nein. Es dürften sechs oder sieben sein. Meister Lemuel, unser Stabsarzt, kennt die exakte Zahl. Ich habe die Leichen seiner Obhut unterstellt.«
»Sie bewahren die Toten also im Lazarett auf?« Hippolit stellte sein fast volles Glas auf einem Tisch ab, was Jorge mit Interesse verfolgte. »Ich nehme an, dass Sie Ihren Heiler eine Stasis über die Körper legen ließen?«
General Ortlov ließ pikiert die Spitze seiner Gerte in die Höhe schnellen. »Wofür halten Sie uns? Für einen Haufen von Dilettanten? Selbstverständlich hat Meister Lemuel die Leichen konserviert! Er ist medizinisch-thaumaturgischer Heiler der dritten Stufe.«
»Ausgezeichnet. Ich würde mir die Toten trotz der späten Stunde gerne noch ansehen, wenn Sie nichts
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