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Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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die Pension, deren Adresse auf Hippolits Zettel vermerkt war, überhaupt erkennen sollte. Ein Haus sah aus wie das nächste. Keines schien bewohnt zu sein, zumindest war nirgends Licht zu erkennen. Vielleicht gingen die Bürger Torrlems ja alle früh zu Bett, oder dieser Teil der Stadt stand schon länger leer, wer wusste das schon.
    Die feine Asche in der Luft schien alle Geräusche zu dämpfen, so dass Jorge sein Blut überdeutlich in den Ohren rauschen hören konnte. Er fühlte Pompom als heißen Klumpen an seiner Brust, rasch atmend, spürte ihr kleines Herz pochen.
    »Pompom, du hast doch dein ganzes Leben in Torrlem verbracht«, murmelte er. Irgendwie beruhigte ihn der Klang seiner eigenen Stimme, deswegen quatschte er weiter. »Jetzt frage ich dich ganz offen, von Mann zu Vulvatte: Gibt es hier in Torrlem vielleicht doch irgendwo eine Art Monster? Weil … ich nehme das unserem pubertierenden Freund M.H. nicht so ganz ab. Das mit den Ghoulen, meine ich. Mal unter uns: M.H. behauptet nach meinem Geschmack einfach zu oft etwas, das er irgendwo gelesen hat. In seinen schlauen Büchern, mithilfe seiner pubertierenden Augen, verstehst du? Er saugt Bücher in sich auf wie anständige Leute köstliche Krügerschweine. Aber er lebt nicht in Torrlem, so wie du. Und er hat sich nicht in jedem Winkel umgesehen, dazu hatte er ja gar nicht die Zeit. Woher will er also wissen, dass es hier keine Ghoule mehr gibt? Mal im Ernst, Pompom: Es würde doch passen, oder? Meister Kotkopp – ich meine natürlich Meister Kojomias, entschuldige bitte –, also, der hat doch klipp und klar gesagt, dass diese Leichenfresser einst hier ihr Unwesen getrieben haben. Was wäre, wenn doch einer überlebt hätte, aus Versehen sozusagen? Und wenn er noch immer hungrig wäre?«
    Jorge erreichte die Mündung einer schmalen Gasse und blieb stehen, um die Wegbeschreibung auf dem Zettel zurate zu ziehen. Von seiner Brusttasche aus beäugte Pompom skeptisch den finsteren Durchgang. Die Giebel der schiefen Häuser neigten sich auf beiden Seiten so stark vornüber, dass sie das dumpfe Glühen der Ewigen Flamme und das blutleere Licht des wolkenverhangenen Mondes fast vollständig abschirmten.
    »Tja. Wenn ich das Gekritzel von M.H. richtig deute, müssen wir dort entlang«, stellte Jorge fest und setzte sich wieder in Bewegung. »Meinst du, wir sind hier noch richtig, Pompom? Sieht mies aus, die Gegend, wenn du mich fragst.«
    Pompom wusste es nicht, und offensichtlich war ihr die Umgebung ebenfalls nicht recht geheuer. Zappelnd verkroch sie sich unter Jorges Jacke.
    Ein gutes Dutzend Schritte weiter stieß Jorge auf eine Kreuzung, die von einer alten, an einem hohen Mast befestigten Gaslaterne in grünliches Licht getaucht wurde. Entlang der quer verlaufenden Straße gab es weitere Leuchten, doch sie waren alle defekt, bis auf eine, deren kränklicher Schein weit entfernt, hinter einer Biegung der nach rechts führenden Gasse, zu erkennen war.
    »Blaak«, murmelte Jorge und zerknüllte das Papier in seiner Hand. »M.H. mag ja einiges draufhaben, aber eins beherrscht er ganz bestimmt nicht: Wegbeschreibungen!« Er runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach. »Plan eins – die Pension anhand dieses dämlichen Zettels zu finden – kann somit als gescheitert betrachtet werden. Zeit für Plan zwei, der da lautet: einen Passanten nach dem Weg fragen!« Er drehte sich einmal im Kreis, ließ den Blick über die menschenleere Kreuzung, die finsteren Häuser und den aschebedeckten grauen Boden schweifen. »Nun, da fragt ein altes Trollsprichwort nicht ganz zu Unrecht: Wo einen Passanten hernehmen, wenn keiner da ist?«
    In diesem Augenblick ertönte irgendwo rechts von ihm ein Geräusch, ein metallisches Schaben, als schleife etwas Schweres über unebenes Kopfsteinpflaster.
    »Sieh an, hier lebt also doch noch einer.« Jorges Gesicht hellte sich auf. »Klingt, als fuhrwerke da jemand an einem alten Kanaldeckel rum. Was meinst du, Pompom?«
    Pompom meinte gar nichts, aber das war egal, denn nur einen Moment darauf wehte ein zweiter, gänzlich anderer Laut mit der nächtlichen Brise heran. Es klang, als zöge ein alter Mann endlos lang einen zähen Klumpen Schleim die Nase hoch. Und es kam eindeutig aus der Gasse, die rechter Hand, ein Stück von der Kreuzung entfernt, eine scharfe Biegung beschrieb.
    Jorges Miene versteinerte. »Hast du das gehört, Pompom? Ich weiß ja nicht … also, vielleicht suchen wir doch lieber noch ein bisschen auf eigene Faust

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