Der Pakt
keinen Grund mehr, noch länger vor ihnen zu kriechen.«
Nick hielt sich ebenso geduckt wie Sin, doch nicht, um sich zu verstecken, sondern um anzugreifen. Er keuchte und feuchte Haarsträhnen fielen ihm in die Augen, aber er zeigte seine Zähne in einem grimmigen Lächeln.
Sin fiel auf, dass die Sache den beiden wahrscheinlich Spaà machte. Es könnte sein, dass sie mitten in ein tödliches, unmenschliches Spiel geriet.
»Und was deinen Liebling angeht«, fuhr Anzu fort, zugleich wütend und jubelnd, »er konnte nie so mit dir kämpfen, nicht wahr? Er war noch wertloser als normale Menschen. Er war kaputt, nutzlos und sinnlos.«
Jedes seiner beschreibenden Adjektive begleitete er triumphierend mit einem Hieb. Als Antwort teilte Nick einen weiteren Hagel von Schlägen aus, bei denen er seine überlegene Kraft und sein Gewicht ausspielte. Sin wartete auf den Moment, in dem sie beide ihre Magie nicht mehr nur dazu einsetzen würden, den Kampf spannender zu machen, sondern nur noch, um zuzuschlagen.
Doch das geschah nicht. Anzu zuckte unter dem Ansturm von Hieben zusammen und seine Abwehr erfolgte zwar heftig, aber relativ schwach, fast unsicher.
Mit einem weiteren Schlag drängte Nick ihn zurück.
»Ich bin dein Bruder!«, rief Anzu. »Nicht er!«
Nicks nächster Schlag lieà Anzu auf die Knie sinken. Langsam, ganz leicht, fuhr Nick ihm mit der Klinge über die Kehle. Anzu trug immer noch ein furchtbares halbes Lächeln, als hielte er das alles für ein Spiel.
»Du hast recht«, sagte Nick völlig emotionslos. »Das ist nicht so, wie mit Alan zu kämpfen. Er ist menschlich, schwach und kaputt, er ist alles, was du gesagt hast. Und Alan hätte mittlerweile gemogelt. Er hätte gewonnen.«
Anzu hörte auf zu lächeln. Nick ging in die Hocke und brachte sein Gesicht dicht vor das von Anzu.
Und kalt wie immer murmelte Nick: »Ich erkenne meinen Bruder, wenn ich ihn sehe.«
Sin saà auf dem Sofa und hasste sich selbst. Nick hatte die Situation unter Kontrolle. Natürlich hatte er das. Es bestand kein Grund, dass sie herumrannte wie eine Verrückte und versuchte, einen Dämon zu beschützen.
Sobald sie gesehen hatte, dass Nick auf sich selbst aufpassen konnte, hatte sie sich umgedreht und war zurückgegangen, doch es war bereits zu spät. Sie hatte keine Zeit mehr, die Kinder zu wecken und zu fliehen, denn die beiden Dämonen waren fast gleichzeitig mit ihr wiedergekommen.
Schlimmer noch, Nick war in Alans Zimmer gegangen und hatte die Tür hinter sich zugeknallt. Sin hatte nicht die leiseste Ahnung, was er dort tat, aber es gefiel ihr kein bisschen, mit Anzu allein zu bleiben.
Doch Anzu belästigte sie nicht, er schien sie gar nicht wahrzunehmen, sondern stand am Fenster und starrte mit vor der Brust verschränkten Armen hinaus. Die Sonne ging unter und krönte die umliegenden Gebäude mit Bannern aus rotem Licht. Es sah fast aus, als brenne die Stadt erneut.
Eine Weile sah Sin ihm beim Nichtstun zu und verfluchte sich selbst für ihre Dummheit, weil sie nicht geflohen war, als sie noch konnte. Was auch immer der Dämon ihr antun wollte, sie hatte es fast verdient.
SchlieÃlich kam sie zu dem Schluss, dass er bleiben würde. Aus Nicks Zimmer, in dem die Kinder waren, kam immer noch kein Laut.
Sin versuchte sich zu entspannen. Sie musste stark genug sein, um ihre Geschwister bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit fortzubringen. Die nächste Chance durfte sie nicht verpassen.
Es gelang ihr nicht, sich zu entspannen. Sie wünschte, es würde etwas geschehen, irgendetwas, eine Katastrophe, etwas, mit dem sie sich befassen konnte, damit sie nicht nachdenken musste.
Da ihr das nicht gelang, wünschte sie sich, sie könnte Nick aus Alans Zimmer locken, damit sie hineingehen und sich seine blöden Waffen und Bücher ansehen, den Kopf auf das Kissen, auf dem sie die letzte Nacht zusammen verbracht hatten, legen und weinen konnte.
Weil sie nichts tun konnte, blieb ihr nichts anderes übrig, als an Alan zu denken. Er war in seinem eigenen Körper gefangen und sah alles mit an, während er langsam starb.
Sie wusste, was mit einem besessenen Körper geschah. Was Nick und Anzu gesagt hatten, war nichts Neues für sie. Dämonen liebten es, in den Tänzerkreisen damit zu prahlen, wie sie Menschen leiden lieÃen, die in ihren eigenen, rasch verfallenden Körpern
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