Der Pakt
ohne eine der beiden zu begrüÃen.
»Nun«, meinte Merris. Jetzt, da sie einen Dämon in sich trug, klang ihre Stimme ein wenig anders. Es war wie ein fremder Akzent, der Hauch eines fernen, schrecklichen Landes. »Wir befinden uns im Krieg.«
»Was ich verstehen würde, wenn ich von Magiern angegriffen worden wäre!«
Merris Büro war so eingerichtet, dass seine Besucher beeindruckt wurden, mit schwereren Möbeln, als man sie in einem Wohnwagen erwarten würde, einem Amulett auf dem Tisch, das die Farbe veränderte, je nachdem ob derjenige, der vor ihr saÃ, log oder die Wahrheit sagte, und Bildern an den Wänden mit Szenen aus alten Büchern. Auf einem sah man schwarze Striche auf rotem Papier, die eine Meute von Bettlern zeigte, die sich gegen einen Dschinn wehrte, der sich mit mörderischem Gesicht aus seinem Gefängnis entfaltete. Sin hatte nicht den Eindruck, dass die Geschichte für die Bettler gut ausgehen würde.
Doch sie war nicht in der Stimmung, sich beeindrucken zu lassen. Sie trat zum Tisch und warf Merris einen kleinen schmutzigen Bänderknoten vor die gefalteten Hände.
»Ich weiÃ, wie ein Angriff durch einen Magier aussieht. Und ich weiÃ, was Nekromanten beschwören können. Du hast das kleine scharfe Spielzeug eines Nekromanten an meine Schule geschickt! Jemand hätte verletzt werden können!«
»Ich gehe davon aus, dass niemand verletzt wurde«, gab Merris zurück. »Gut gemacht.«
Sin holte tief Luft und sprach aus, was ihr seit Wochen auf der Seele brannte.
»Diese Tests sind verrückt, sie sind Zeitverschwendung und sie müssen auf der Stelle aufhören!«
Schweigen breitete sich aus. Sin stand am Tisch, weil es keinen Stuhl für sie gab, und wartete. Sie wusste, wie es ausgehen würde: ihre Position war äuÃerst schwachâ¦
Sie hatte es für einen Scherz gehalten, als Merris vorgeschlagen hatte, Mae Crawford an Sins Stelle einmal den Markt übernehmen zu lassen. Es war verrückt, beleidigend und schmerzhaft, doch Sin hatte nicht daran denken können als etwas, das tatsächlich passieren könnte.
Die Familie Davies reiste seit vier Generationen mit dem Markt. Sin war die beste Tänzerin. Mae war nur ein Touristenmädchen, das für eine Anfängerin wirklich gut tanzte, aber das war auch schon alles. Sie wusste nicht genug, sie gehörte nicht dazu und vor allem war sie erst vor kaum fünf Monaten ausgerechnet von den Ryves-Brüdern auf den Markt gebracht worden.
Sin hatte sich keine Sorgen gemacht.
Doch jetzt tat sie es.
Merris hatte ihnen die wirtschaftlichen Probleme des Marktes unterbreitet, die Sin nicht wirklich verstand. Mae hatte sie nicht nur verstanden, sie war auch mit Verbesserungsvorschlägen gekommen. Vor ein paar Wochen hatte Merris sie beide gebeten, einen Ort in London für den Markt zu wählen, und während Sin noch herumfragte, hatte sich Mae ins Internet und dann ans Telefon gehängt. Sie hatte die Stelle bei Horsenden Hill gefunden, wo sie jetzt ihr Lager aufgeschlagen hatten und es genug Platz für all ihre Wagen unter den Tarnzaubern gab. Die Stelle war an zwei Seiten von einem Kanal begrenzt, früher hatte dort eine alte Festung gestanden. Ein idealer Platz.
Sin wusste, dass Finanz- und Maklerkenntnisse für den Markt nicht wirklich wichtig waren, sie waren nicht mehr als überbewertete Hausaufgaben. Sie wusste, worauf es ankam, nämlich auf Herz und Seele des Marktes, etwas, was Mae nie verstehen würde. Sie wusste nur nicht, ob Merris die Sache auch so sehen würde.
»Sie müssen auf der Stelle aufhören?«, wiederholte Merris, und in ihrer Stimme knisterte es seltsam und bedrohlich. »Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich hier die Befehle gebe.«
Merris wäre gestorben, hätte sie nicht der Dämonin Liannan ihren Körper überlassen unter der Bedingung, dass sie ihn tagsüber beherrschte und die Dämonin ihn nachts. Das wusste Sin.
Diese Stimme zu hören machte es nicht leichter, in die mit Dunkelheit gefüllten Augen zu blicken. Es machte es nicht leichter, Merris zu vertrauen, vor allem, da diese Sin nicht mehr zu vertrauen schien.
»Ich bin mit Sin einer Meinung«, erklärte Mae aus der Tiefe ihres Sessels.
Merris Aufmerksamkeit wandte sich Mae zu und sie zog beide Augenbrauen hoch. Mae zuckte vor ihrem kalten Blick nicht zurück.
Sie sah klein aus in dem Sessel,
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