Der Pakt der Wächter: Roman
dem Schatten, der uns vor der Wüstensonne schützt. Nachdem wir das Wasser ausgetrunken haben, führt der Mönch uns in einen kühlen Erdkeller unter dem Kloster. Wir durchqueren mehrere Räume, ehe wir an eine Stahltür kommen, die in einen von flackernden Neonröhren erleuchteten Raum führt.
Der Mönch öffnet einen Metallschrank, zieht eine Schublade voller Münzen auf und legt mir ein paar in die Hand. Ich sehe sie mir an. Überrascht stelle ich fest, dass es sich um Silbermünzen mit einem mir unbekannten norwegischen Königssiegel handelt.
»Wie sind die hier gelandet?«
»Sie haben hier gelegen.«
»Ich habe mich an der Universität ziemlich ausführlich mit Numismatik befasst. Soweit ich mich erinnere, prägte Olav Tryggvason 995 n. Chr. die ersten norwegischen Münzen. Auf den Münzen stand ONLAF REX NORmannorum , was übersetzt Olav König der Norweger bedeutet. Auf der Vorderseite war ein Abbild des Königs mit Zepter, auf der Rückseite ein Kreuz mit den Buchstaben CRVX, das lateinische Wort crux , also Kreuz. Man nimmt an, dass der Münzpräger aus England stammte.«
»Norwegische Kaufleute ließen auch Münzen in Ägypten prägen, genauer gesagt in dem Dorf Misr östlich von Alexandria, am Ufer des Nils.«
»Die Archäologen gehen davon aus, dass die arabischen Münzen, die in Norwegen gefunden worden sind, von Kaufleuten stammen, die im byzantinischen Reich Handel getrieben hatten. Arabische Münzen wurden häufig als internationale Valuta verwendet. Aber es ist mir neu, dass die Wikinger in Ägypten Münzen prägen durften.«
»Während einer kurzen Periode.«
»Da wäre noch etwas«, sagt Stuart, legt die Hand auf den Arm des Mönches und zeigt mit einem Nicken zu einem etwas solideren Schrank. Zu mir gewandt sagt er: »Als Gegenleistung würde ich mir erhoffen, dass du mir die Thingvellirrollen zeigst.«
»Alles zu seiner Zeit...«
Der Mönch schließt den Schrank auf und nimmt eine Holzkiste heraus. Darin liegt ein Goldschmuck. Er reicht mir die Kette, die schwer in meiner Hand liegt. Der Anhänger stellt die Rune Ty dar.
»Ein Wikingerschmuck«, sagt Stuart. »Rate mal, wo der gefunden wurde?«
Ich weiß es nicht.
»Der Schmuck wurde in dem leeren Sarkophag in der inneren Grabkammer im Amon-Ra-Tempel gefunden«, sagt der Mönch.
6
An diesem Abend rufe ich, gleich nach dem Essen, Professor Llyleworth im SIS aus einer Telefonzelle ein paar Wohnblocks vom Hotel entfernt an.
Die Verbindung ist grauenvoll, und der Krach der Straße macht jedes Gespräch unmöglich. Aber es reicht, um ihm mitzuteilen, dass es mir gelungen ist, einigermaßen unbeschadet aus dem Schimmer-Institut zu entkommen. Seine Fragen ertrinken in einer Kakophonie aus Mopedgeknatter und dem Lärm der Busse und Gemüsehändler, die lauthals ihre Wassermelonen feilbieten, und von den disharmonischen Gebetsrufen der Muezzin, die von den Minaretten schallen.
Auf dem Rückweg werde ich von Händlern in alle möglichen Basare und kleinen Läden gezogen, wo ich in einer unglücklichen Verkettung kultureller und sprachlicher Missverständnisse eine ansehnliche Sammlung von Steinskarabäen, Katzenfiguren und Mumienreliefs erstehe sowie ein Papyrusplakat mit einer Sphinx vor einem Sonnenuntergang und die Parfümessenz Nubian Nights , der laut Aussage des Händlers keine schöne Frau widerstehen kann.
Vor dem Hotel entdecke ich den Fotografen aus Thutmosis’ Grabkammer. Er hält nach etwas oder jemandem Ausschau – vielleicht nach seiner hinreißenden Frau, die seine Kreditkarte hat und sich nicht scheut, davon Gebrauch zu machen. Als er mich sieht, lächelt er verlegen. Entweder, weil er mich ebenfalls wiedererkennt, ohne zu wissen, woher, oder weil es nicht beabsichtigt war, dass ich ihn sehe.
7
Früh am nächsten Morgen spazieren Stuart und ich das kurze Stück vom Hotel zum Luxor-Museum.
Stuart hatte am Vorabend im Museum angerufen und ein Treffen mit dem Leiter vereinbart, einem alten Bekannten und Kollegen, zu dem er die ganzen Jahre über Kontakt gehalten hat.
Unterwegs versucht er mich erneut zu überreden, ihm die Thingvellirrollen zu zeigen. Ich erkläre ihm noch einmal, dass ich sie nicht bei mir habe.
»Aber du wirst doch wohl wissen, wo sie sind?«, quengelt er. »Wir könnten ja zusammen dorthin fahren?«
Obgleich ich Verständnis dafür habe, dass es ihm schwerfällt, seine fachliche Neugier zu zügeln, geht mir dieses Gequengel allmählich gehörig auf die Nerven.
Der Museumsleiter sieht aus
Weitere Kostenlose Bücher