Der Paladin
gleich die Hauptstadt an, und dann sehen sie zu, wie der ganze Mist auseinanderfällt. Reguläre Soldaten sind mir lieber als irgendwelche Bauern, die einen aus dem Gebüsch abstechen, das kannst du mir glauben. Aber hier tut sich nichts... bestimmt nicht...«
Da legte die Fähre an.
Elf Reiter und elf Pferde: eigentlich hätten jetzt am Morgen Städter und Bauern mit der Fähre übersetzen sollen, doch niemand schloß sich ihnen an. Die Pferde gingen ängstlich das kleine Holzpier zur Laderampe hinunter und mußten festgehalten werden, als sie schwankenden Boden unter den Füßen spürten (selbst nach all den Jahren hätte Jiro die Fähre mit hochmütiger Geringschätzung betreten), doch dem Himmel sei Dank gab es an Deck drei massive Verschläge, sonst wäre mindestens eines der Pferde ins Wasser gesprungen, wahrscheinlich der schwarzfüßige Braune mit der zernarbten Brust. (Wenn Shoka an den Ritt zurückdachte, wäre er das Pferd am liebsten losgeworden. Als er ihm den Kopf fest an den hohen Pferch gebunden hatte, beruhigte es sich jedoch.)
Während die Fährleute die großen Ruder bedienten, rückte die eigentliche Stadt Anogi langsam näher – diesmal war es eine freibewegliche Fähre (der Hisei war zu breit und zu befahren, als daß man ihn an Seilen hätte überqueren können), ein flacher Flußkahn, der von einem Ufer zum anderen einen sichelförmigen Kurs beschrieb, ein Kompromiß mit der Strömung, während größere und kleinere Boot flußabwärts vorbeifuhren, Fischerboote, Lastkähne und dergleichen. Wenigstens hatte der Handel nicht aufgehört; der Fluß wirkte so normal, als wäre im Süden überhaupt nichts passiert – andererseits, wer vom Handel lebte, mußte auch handeln, und Soldaten aßen Reis und brauchten Stoffe und Eisen. Und die Fischer mußten fischen: die Welt mochte aus den Fugen geraten sein und am Rande einer Katastrophe stehen, aber die Boote mußten ausfahren, solange das Wetter es zuließ.
»Ihr solltet nicht mit ihnen reden«, murmelte Taizu. Sie hielten sich in der Nähe der Verschlage auf und beruhigten die Pferde, als die Fähre im Kielwasser eines vorbeifahrenden Lastkahns schwankte. »Ihr seid ein Risiko eingegangen. Ihr habt immer gesagt, geh kein...«
»Ich habe günstig einen halben Fisch erstanden«, sagte Shoka. »Ich finde, das war ganz schön raffiniert von mir.«
»Ihr sollt Euch nicht lustig machen! Es sind zu viele!«
»Es wird schon klappen. Mach nicht so ein sorgenvolles Gesicht.«
»Ich soll mir keine Sorgen machen! Was anderes...«
Ein Bootsmann kam auf dem Weg zum Bug vorbei, und Taizu verschluckte den Rest ihres Satzes. Sie liefen ins eigentliche Anogi ein, das in Reihen angeordnet über dem Flußufer aufragte, schräg gegenüber der anderen Hälfte der Stadt – doch dorthin trieb die Strömung die Fähre, und so waren die beiden Hälften gewachsen.
»Armer Junge«, sagte Shoka. »Du solltest lieber nicht reden. Das wird schon wieder.«
Taizu funkelte ihn an.
»Vertrau mir«, sagte Shoka und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Es wird schon klappen. Bestimmt.«
»Aber nicht, wenn Ihr weiterhin mit Soldaten redet!«
»Aber ich
war
mal einer«, sagte Shoka. »In dieser Hinsicht brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich möchte bloß wissen, wo die verdammten Söldner aus Choedri stecken. Vielleicht in der Garnison von Anogi. Vielleicht in Lungan oder dahinter. Danach kann ich mich nicht so ohne weiteres erkundigen, ohne zuviel zu verraten. Aber ich hatte meine Informanten in Lungan. Wir werden ja sehen, ob noch jemand davon da ist...«
»Und wenn sie genügend Angst vor Ghita haben...«
»Das Risiko müssen wir eingehen. Es gibt immer ein Risiko. Die Menschen verändern sich. Loyalitäten ebenfalls. Glaub ja nicht, ich hätte mir darüber keine Gedanken gemacht.«
»Mit wem wollt Ihr sprechen?« flüsterte sie; und verschluckte alles weitere: der Bootsmann kam wieder, kehrte im Zuge des Anlegemanövers ans Heck zurück.
»Mit alten Bekannten«, sagte Shoka im Flüsterton und hielt Ausschau über den Bug der Fähre, der nordwärts auf Anogi zeigte.
Er dachte an den alten Mann und gleichzeitig an Lungan. Er fragte sich, ob Jojin wohl noch lebte – ob der alte Grammatiker zu politisch gewesen war, um überlebt zu haben; oder ob Jojins Verbindungen zum Priesterstand ihm den Hals gerettet hatten.
Zwei Tage unterwegs, und er hatte von dem Fährwächter am Ufer von Tengu nichts erfahren, was er nicht schon gewußt oder geahnt hätte. Die
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