Der Palast
Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte. Denn der Kammerherr hatte dem Fürsten in der Vergangenheit andere Kränkungen zugefügt, und jetzt war für diesen die Grenze des Erträglichen überschritten.
Der alte daimyo schlug die Fäuste auf seine Brust, um sich selbst für seine Sünden zu bestrafen. »Was für ein Feigling ich war, mich Eurem Willen zu unterwerfen! Welch ein Irrtum von mir, mit Euch gemeinsame Sache zu machen – einem Mann, der nun gekommen ist, mich zu vernichten!«
»Ich hatte lediglich die Absicht, Euch von jedem Verdacht zu befreien und Euch vor dem sōsakan-sama zu beschützen«, beteuerte Yanagisawa, der ängstlich darauf bedacht war, die Loyalität Fürst Kiis zurückzugewinnen. »Beruhigt Euch, dann werdet Ihr die Wahrheit erkennen.«
Fürst Kii verschränkte die Arme. »Ich erkenne die Wahrheit.« Seine Wangen färbten sich dunkelrot, und in seinen Augen loderte Zorn. »Ihr habt ein Auge auf meine Truppen und mein Vermögen geworfen. Ihr habt mich benutzt und gedemütigt. Ihr habt es gewagt, meine Ehre zu beleidigen. Jetzt erkenne ich, welch ein Fehler es gewesen war, Euch vertraut zu haben!«
Yanagisawa durchlief ein Schauer der Angst.
»Ich will nicht als Dummkopf oder Feigling oder als Schandfleck für meinen Klan dastehen«, verkündete Fürst Kii. »Ich erkläre unser Bündnis für beendet.«
Fassungslos stand Yanagisawa da, als er begriff, dass er mit einem Mal seine stärkste militärische Unterstützung verloren hatte.
Auf dem Übungsplatz begann eine neue Schlacht. Diesmal sammelten sich die Soldaten mit den blauen Fahnen. Durch einen Schwertangriff brachten sie ihre Gegner mit den roten Fahnen zu Fall, die in den Staub stürzten. Yanagisawa beobachtete das Geschehen, ohne es bewusst wahrzunehmen. Er hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Grenzenlose Wut stieg in ihm auf. Dass dieser Hund es wagte, aus der Reihe zu tanzen und ihm einen solchen Schlag zu versetzen! Doch wenn er es durch wiederholte Beteuerungen nicht schaffte, Fürst Kii auf seinen Platz zu verweisen, schaffte er es vielleicht durch Einschüchterung …
»Ihr solltet nicht so schnell mit mir brechen«, drohte Yanagisawa dem daimyo in dem leisen, bedrohlichen Tonfall, mit dem er schon viele Männer in die Knie gezwungen hatte, die mutiger gewesen waren als Fürst Kii. »Ihr seid in einer gefährlichen Situation, denn Ihr habt Motive für diese Tat: Ihr habt allen Grund, den Tod von Hoshina -san zu wünschen. Ihr hattet Zeit, den Hinterhalt zu planen. Und eure Männer sind am selben Tag wie Fürstin Keisho-in über die Tōkaidō geritten. Dadurch seid Ihr einer der Hauptverdächtigen im Entführungsfall. Ein Wort von mir, und der Shōgun lässt Euch verhaften und beraubt Euch Eures Titels, Eurer Ländereien und Eures Reichtums.«
Fürst Kii atmete zischend ein und warf Yanagisawa einen ängstlichen Blick zu, wodurch der Kammerherr sich in seiner Strategie bestätigt sah.
»Bleibt unser Bündnis hingegen bestehen, werde ich Euch beschützen«, fuhr der Kammerherr fort. »Ich werde nicht zulassen, dass der sōsakan-sama Euch verfolgt oder der Shōgun auf den Gedanken verfällt, Ihr hättet seine Mutter entführt.« Yanagisawa wählte absichtlich einen drohenden Ton. »Sagt mir einfach, warum Ihr Eure Männer auf diese Reise geschickt habt. Beweist mir Eure Unschuld, und alles wird sein, wie es war.«
Fürst Kii schwankte; in seinem unsteten Blick schimmerte die Angst vor Yanagisawas Zorn. Der Kammerherr wartete ab und vertraute darauf, dass es ihm gelang, den daimyo gefügig zu machen. Fürst Kii schwankte wie ein Baum, der umzustürzen drohte; dann aber fasste er sich und stand fest wie ein Fels in der Brandung.
»Ich brauche Euch nicht zu beweisen, dass ich nicht der Entführer bin«, sagte er, schnaubend vor Wut und verletzter Eitelkeit. »Mein Wort sollte Euch genügen, weil ich Euch noch nie enttäuscht habe! Und Ihr solltet wissen, dass ich ein aufrechter Mann bin! Wenn Ihr mir nach allem, was ich um Euretwillen ertragen habe, nicht vertraut, dann würde Euch nichts, was ich sage, von meiner Unschuld überzeugen. Geht nur und zeigt mich beim Shōgun an! Aber zuerst solltet Ihr mir ganz genau zuhören.«
Die massige, gerüstete Gestalt des daimyo strahlte Rachsucht aus. Seine Soldaten mit den blauen Fahnen stürmten auf ihre Gegner zu und jagten sie mit wilden Schlachtrufen. »Gestern hat Fürst Matsudaira mich besucht und eine Ehe zwischen seinem Zweitältesten Sohn
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