Der Partner
wirkte noch immer sehr verstört. »Die Folter wird etwas sein, das ich niemals exakt werde beschreiben können«, sagte Patrick, nachdem sie sich fast eine Stunde lang unterhalten hatten.
Hayani hatte das Gespräch auf dieses Thema gebracht. Es stand in allen Zeitungen, seit die Klage gegen das FBI eingereicht worden war, und vom medizinischen Standpunkt aus war es eine einmalige Gelegenheit, jemanden zu untersuchen und zu behandeln, der auf so grauenhafte Art verletzt worden war. Jeder junge Arzt hätte sich glücklich geschätzt, dem Zentrum des Sturms so nahe zu sein.
Hayani nickte ernst. Bitte, reden Sie weiter, gab er Patrick mit den Augen zu verstehen.
Heute war Patrick sogar bereit, ihm den Gefallen zu tun.
»Schlafen ist unmöglich«, sagte er. »Ich schlafe höchstens eine Stunde, dann höre ich Stimmen, habe den Geruch von meinem verbrannten Fleisch in der Nase. Ich liege schweißgebadet da. Und es wird nicht besser. Jetzt bin ich hier, zu Hause und vermutlich in Sicherheit, aber sie sind immer noch da draußen, immer noch hinter mir her. Ich kann nicht schlafen. Ich will nicht mehr schlafen müssen, Doc.«
»Ich kann Ihnen ein paar Tabletten geben.«
»Nein. Keine Tabletten, bitte. Ich hatte definitiv zuviel Chemie.«
»Ihr Blutbild ist in Ordnung. Ein paar Rückstände, aber nichts von Bedeutung.«
»Keine Medikamente, Doc. Nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt.«
»Sie brauchen Schlaf, Patrick.«
»Ich weiß, aber ich will nicht schlafen. Dann foltern sie mich wieder.«
Hayani notierte etwas auf dem Krankenblatt, das er in der Hand hielt. Es folgte ein langes Schweigen.
Beide Männer hingen ihren Gedanken nach, fragten sich, was sie als nächstes sagen sollten. Hayani fiel es schwer zu glauben, dass dieser nette Mann imstande gewesen sein sollte, jemanden umzubringen, und noch dazu auf so grauenhafte Art.
Das Zimmer wurde nur von einem schmalen Sonnenstreifen auf der Fensterbank erhellt. »Kann ich offen mit Ihnen reden, Doc?« fragte Patrick mit sehr leiser Stimme.
»Selbstverständlich.«
»Ich muss so lange hierbleiben, wie es irgend geht. Hier, in diesem Zimmer. In ein paar Tagen werden sie anfangen, meine Verlegung ins Gefängnis von Harrison County zu verlangen, wo ich dann auf einer Pritsche in einer kleinen Zelle mit zwei oder drei Straßengangstern lande. Das überlebe ich nicht.«
»Aber weshalb sollte man Sie verlegen?«
»Um mich unter Druck zu setzen, Doc. Sie müssen den Druck allmählich erhöhen, bis ich ihnen erzähle, was sie wissen wollen. Sie werden mich in eine schauderhafte Zelle stecken, zusammen mit Vergewaltigern und Drogendealern, und erklären, ich solle lieber reden, denn das hier sei es, was mir für den Rest meines Lebens bevorstünde. Gefängnis, Parchman, die Hölle auf Erden. Waren Sie schon einmal in Parchman, Doc?«
»Nein.«
»Aber ich. Ich hatte einmal einen Mandanten dort. Es ist der schlimmste Ort auf Erden. Das County-Gefängnis ist nicht viel besser. Aber Sie, Sie können mich hierbehalten, Doc. Sie brauchen nichts anderes zu tun, als dem Richter immer wieder zu sagen, dass ich unter Ihrer Obhut bleiben muss, dann können die mich hier nicht wegholen. Bitte, Doc.«
»Das lässt sich einrichten, Patrick«, sagte er und trug etwas in Patricks Krankenakte ein. Neuerlich folgte eine lange Pause, während der Patrick die Augen schloss und heftig atmete. Schon der bloße Gedanke an das Gefängnis hatte ihn fürchterlich aufgeregt.
»Ich werde eine psychiatrische Untersuchung empfehlen«, sagte Hayani, und Patrick biss sich auf die Unterlippe, um ein Lächeln zu unterdrücken.
»Weshalb?« fragte er, Bestürzung vortäuschend.
»Weil ich neugierig bin. Haben Sie etwas dagegen?«
»Ich glaube nicht. Wann?«
»Vielleicht morgen oder übermorgen.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich das schon so bald durchstehen kann.«
»Es hat keine Eile.«
»Das klingt schon besser. Wir sollten hier nichts überstürzen, Doc.«
»Ich verstehe. Vielleicht nächste Woche.«
»Vielleicht. Oder die Woche darauf.«
Die Mutter des Jungen war Neldene Crouch. Sie lebte jetzt auf einem Wohnwagenplatz am Rand von Hattiesburg. Zur Zeit des Verschwindens ihres Sohnes hatte sie mit ihm auf einem Wohnwagenplatz bei Lucedale gelebt, ein dreißig Meilen von Leaf entfernten Kleinstadt. Soweit s’ sich erinnern konnte, war ihr Sohn am Sonntag, den 9. Februar 1992 verschwunden, am selben Tag, an dem Patrick auf dem Highway 15 starb.
Aber Sheriff Sweeneys Unterlagen zufolge hatte
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