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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Ratsstube, der Haufe wieder versammelt, fürs Erste allerdings ruhig und gesittet. Der Bürgermeister hatte seinem Stadtvolk nämlich versichert, es bis zum Mittagsläuten über die tatsächliche Lage sowie über die zu treffenden Maßregeln und Vorkehrungen ohne Beschönigung zu unterrichten. Behaimer indessen bezweifelte, dass Hug Ederlin dies einhalten würde. Warum sollte er auch? Das Volk, so zeigte es sich immer wieder, wollte betrogen und belogen sein, sofern die Lüge nicht allzu offensichtlich war. Und sofern einer wie Heinrich Grathwohl – er warf dem Wundarzt erneut einen giftigen Blick zu – sein Maul zu halten wusste.
    «Ist Euch irgendwas, Magister Filibertus?», fragte Grathwohl und streckte ihm herausfordernd das Kinn entgegen.
    «Wirst schon sehen, du Stümperarzt», zischte Behaimer.
    In diesem Augenblick öffnete der Gerichtsdiener die Tür und rief sie herein. Die Sonne, die durch das Waldglas der Butzenscheiben fiel, tauchte den Saal in grünliches Licht, wodurch die Gesichter der Ratsherren allesamt siech und krank wirkten. Nachdem die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war, gab Hug Ederlin, der am Kopfende des langgestreckten Tisches saß, dem Schreiber einen Wink. Der erhob sich und begann zu verlesen:
    «Wir, der Schultheiß und der Bürgermeister, der Rat deralten wie der neuen Vierundzwanzig zu Freiburg im Breisgau, tun kund all jenen, die diesen Brief sehend oder hörend lesen, jetzt oder hernach, dass zum heutigen Freitag auf Sankt Johanni Anno Domini 1349 die hier Versammelten einstimmig und ohne Contra befunden haben», der Schreiber holte tief Luft und fuhr dann ohne Stocken fort, «dass Heinrich Grathwohl, geschworener Wundarzt zu Freiburg, die Folgen seiner Widersetzlichkeit gegenüber den ratsherrlichen Weisungen in voller Verantwortung zu übernehmen habe. Die Freveltaten im Einzelnen seien zu benennen als zum einen mutwilliger Verrat amts- und gerichtsmedizinischer Angelegenheiten, als zum andern leichtfertige Anstiftung zu Volkes Aufruhr. Zu sühnen sei dies nach einstimmigem Beschluss der beiden Räte mit Verbannung auf zehn Jahr und einen Tag aus unserer Stadt Freiburg mitsamt ihrer Vorstädte über zehn deutsche Meilen hinaus, in Ledigsprechung aller Rechte an Eigen und an Erbe.»
    Während der Schreiber ein neues Blatt hervorzog, bemerkte Behaimer nicht ohne Häme, wie das Gesicht des Wundarztes erbleichte.
    «Indessen neigen wir, der Schultheiß und der Bürgermeister, der Rat der alten wie der neuen Vierundzwanzig, angesichts der respektablen Leistungen des vormals Erwähnten im Dienste der Stadt zur Milde.»
    Verärgert runzelte Behaimer bei diesen Worten die Stirn.
    «Die Verbannung mag ausgesetzt werden, sofern der vormals Erwähnte willens ist, seine Bestallung als geschworener Blattern- und Pestarzt der Stadt Freiburg anzunehmen und dies zu beeiden unter den sieben Zeugen Ritter Heinrich von Fürstenberg, Cunrat der Druchsess, Ritter Johans der Turner, Bürger Johannes von Kippenheim, Rudolf Geben der Münzmeister, Filibertus Behaimer der Stadtphysicus, Heinrich Arbogast derWundarzt und genügend anderer ehrbarer Leute. Des Weiteren ist der vormals Erwähnte aufgerufen, seine Ehegenossin Clara zurück in die Stadt zu holen, damit diese ihm fürderhin in seinem Amt zur Hand gehe.»
    Behaimer war verblüfft über diesen wahrlich bemerkenswerten Winkelzug. Wenn Grathwohl nicht seine und seiner Familie Ehre verlieren wollte, blieb ihm nichts anderes, als einzuwilligen und sich freiwillig zum Pestarzt zu verpflichten. Jeder hier hatte schließlich vor Augen, wie es dem ehemaligen Schultheißen Snewlin ergangen war: Als Mitglied einer der angesehensten Familien im ganzen Breisgau hatte er die Schmach der Verbannung nicht verkraftet und war kürzlich erst schwer gedemütigt verstorben.
    Dabei hätte die Verpflichtung zum Pestarzt ebenso gut ihn, als Stadtphysicus, treffen können, wie Behaimer aus anderen Städten wusste. Nur mit Mühe konnte er ein schadenfrohes Grinsen unterdrücken. Jetzt hatte Grathwohl ganz umsonst seine Familie in den Wald geschafft. Erst recht freute ihn, dass er der guten Clara künftig wieder begegnen würde, wenn er es nur geschickt einrichtete.
    Eine Handbewegung des Schultheißen bedeutete ihm und Arbogast, nach vorne zum Gerichtsschreiber zu treten, wo sie sich zusammen mit den anderen ehrwürdigen Zeugen um Heinrich Grathwohl scharten. Der legte mit unbewegter Miene seine Linke auf das dargereichte Kruzifix, hob die Rechte zum Schwur und

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