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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Städten rund um den Bodensee und weit darüber hinaus sämtliche Wirtshäuser aufsuchte, in denen die Gäste vor dem Krieg eifrig ›getoppelt‹ hatten, um den Wirten die alten Spielwürfel abzukaufen.
    Da zurzeit nur noch Soldaten diesem alten Gaunerspiel frönten, würde er die Würfel eigentlich marodierenden kaiserlichen oder schwedischen Truppen verkaufen müssen. Aber so mutig war der Bunte Jakob nun doch nicht, um sich an diese Kundschaft zu wagen. Also hatte er sich etwas anderes einfallen lassen, das ihn vom Angebot seiner Kollegen abhob: Diese kantigen, aus Horn gefertigten Glücksspielutensilien, mit denen schon so manch braver Familienvater leichtsinnig oder im Rausch Haus und Hof oder gar die eigene Freiheit verspielt hatte, ließ er – nachdem sie ihr Essigbad hinter sich hatten – rundschleifen, durchbohren und von seinem Weib zu Rosenkränzen verarbeiten. Er wusste, dass er keinen Heiligenschein bekommen würde, wenn er dieses verbotene Teufelswerk aus dem Verkehr zog und daraus katholische Zählketten machte. Er wusste aber auch, dass er früher Rosenkränze nur in den Monaten Mai und Oktober gut verkaufen konnte. Seit der Krieg in vollem Gange war und es die von Gott gesandte Pest gab, lief das Geschäft mit den aufgezogenen Hornperlen das ganze Jahr über wie geschmiert. Ein wunderbarer Kreislauf: Die Katholiken kauften beim Bunten Jakob die Rosenkränze, um sie den Pesttoten in die kalten Hände zu drücken, damit sie die Leichenbestatter allerorten wieder an sich nehmen konnten, um sie abermals dem Bunten Jakob zu verkaufen, der sie wieder an andere Gläubige weiterverscherbelte, die diese dann wiederum den Toten mitgaben. Dadurch wechselten die Rosenkränze nicht selten zehn oder zwanzig Mal die Besitzer.
    Während der Totengräber dem Händler nachwinkte, drehten sich seine Gedanken erneut um die eigene Sicherheit. Da er ständig damit rechnete, Hals über Kopf fliehen zu müssen, war er froh darüber, sein Pferd beim Moosmannbauern außerhalb Staufens untergestellt zu haben. Um sicher sein zu können, dass der Landmann auch weiterhin schweigsam bleiben und es seinem Pferd gut gehen würde, entlohnte er ihn nicht nur fürstlich, sondern brachte ihm von Zeit zu Zeit zusätzlich ein kleines Fässchen Schnaps mit. Auf halbem Weg zu dessen Hof – nahe dem Heustadel mit dem Sühnekreuz – hatte er eine Geldschatulle vergraben, damit er im äußersten Notfall nicht mehr in seine im Zentrum gelegene Kemenate müsste und ohne Verzögerung mit seinem ergaunerten Geld das Weite suchen könnte.
    Während er überlegte, wie er sich vor dem über kurz oder lang drohenden Zugriff der Obrigkeit oder vor einer wütenden Menschenmenge schützen könnte, erinnerte ihn ein ungutes Gefühl daran, die damaligen Zeugen des Gespräches mit dem Medicus endlich zu beseitigen. Er hatte immer noch eine Heidenangst davor, dass die Söhne des Kastellans zu viel gehört haben könnten und er doch noch in den Verdacht geraten würde, der Komplize des Arztes gewesen zu sein. Ihn wunderte, dass die Knaben bisher stillgehalten hatten, und schob dies dem Umstand zu, dass sie sich wahrscheinlich nicht getraut hatten, ihren Eltern zu erzählen, verbotenerweise nachts auf dem Kirchhof gewesen zu sein. Wie auch immer: Im Falle einer Anklage würde er wohl keinen einzigen Fürsprecher haben.
    »Scheiß drauf«, entfuhr es ihm laut. »Ich erledige einen Teil davon heute noch!«

Kapitel 18
     
    Rosalinde tat alles in ihrer Macht stehende , damit sich die geliebte Herrin endlich wieder erholte. Aber so sehr sie sich auch um die schwächelnde Frau kümmerte – es nützte alles nichts. Konstanze blieb so saft- und kraftlos, dass sie es kaum noch vermochte, sich von ihrem Lager zu erheben. Alle hofften, dass es nicht die Schwindsucht war, aber niemand wusste, was ihr wirklich fehlte.
    »Was wäre, wenn du die ehrwürdige Schwester aus dem Spital holen würdest?«, fragte Lodewig seinen Vater.
    »Nein, mein Sohn! Schwester Bonifatia mag zwar viel von der Wundheilkunde verstehen und sich aufopfernd um die Pestkranken kümmern. Als sie aber vor Kurzem hier im Schloss war, habe ich sie zu deiner Mutter geschickt.« Der Vater schnaufte betrübt durch: »So sehr sie sich auch bemüht hat, ist ihr außer einem heißen Kräutersud und dem, was wir von Eginhard sowieso schon wissen, auch nichts eingefallen. Außerdem wäre es viel zu gefährlich, sie jetzt noch ins Schloss hereinzulassen. Sie könnte sich bereits infiziert haben und uns die

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