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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Begräbnis zu geben. Das ist meistens nur sehr schwer zu bewältigen. Wenn der Höfener Bauer Maginger nicht die Särge für uns zimmern würde, kämen wir überhaupt nicht zurande. Zu viel Arbeit wartet tagtäglich auf uns: Fabio holt die Leichen ab und ich sorge dafür, dass alles reibungslos klappt. Die Gräber heben wir meistens gemeinsam aus. Für unsere Mühen erhalten wir aber nur selten ein paar Kreuzer, die wir dann zum großen Teil für die Herstellung von Särgen benötigen. Das Wenige … « Er machte eine abschätzige Geste, »das dann noch übrig ist, teilen wir redlich«, log der Totengräber dem Propst unverfroren ins Gesicht.
    Solange der kirchliche Würdenträger selbst Angst vor der Pest hatte und die ansteckungsgefährdeten Orte mied, würden die verlogenen Aussagen des Totengräbers kaum nachprüfbar sein. Und die Hinterbliebenen der Pestopfer, die Beschwerde führen könnten, hüteten sich davor, denn sie wussten nicht, wann sie dessen überteuerte Dienste würden wieder in Anspruch nehmen müssten.
    Sollte der Propst zufällig etwas erfahren, was seinem Ruf als korrektem Leichenbestatter schadete, würde Ruland Berging schon eine Ausrede einfallen. Solange Fabio das Maul hielt, war alles in bester Ordnung.
    Sorgen machten ihm momentan nur noch die beiden Söhne des Kastellans. Um sich selbst zu beruhigen, wollte er die Sache endlich und endgültig hinter sich bringen. Nun fackelte er nicht mehr lange und begab sich auf direktem Weg in Richtung des schattigen Schleichpfades, der zur Südseite des Schlosses führte.
     
    *
     
    Als sich der wegen seiner dunklen Gewandung fast Unsichtbare den schmalen Grat an der Südmauer des Staufner Schlosses entlanghangelte, hörte er ein merkwürdiges Rauschen und Knacken im Geäst der Bäume. Da er keinen Hauch eines Lüftleins verspürte, wunderte er sich darüber und blickte nach oben. Aber er sah nichts. Der Boden war hier recht feucht und schmierig, und er musste höllisch darauf achten, nicht selbst den Abhang hinunterzurutschen. Deswegen behielt er ständig den Boden im Auge, hörte aber wieder das Geräusch und blickte abermals zum Himmel, von dem der dichte Baumbewuchs nur ein paar helle Streifen durchließ. Jetzt sah er etwas herunterfallen, konnte aber nicht erkennen, was es war. In kurzen Abständen suchte irgendetwas den Weg durch das Geäst der Bäume, um dann auf dem Boden aufzuklatschen und den steilen Abhang hinunterzurutschen beziehungsweise herunterzuhüpfen. Der Totengräber sah dem Treiben eine Zeit lang zu, ohne dahinterzukommen, was es war. Um besser sehen zu können, hätte er am liebsten seine Augenklappe abgenommen. Aber dies hätte nichts genützt. Erst als er neben sich etwas Rötliches liegen sah und es aufhob, erkannte er ein vermoostes Ziegelfragment, von dem er glaubte, dass es schon ewig hier liegen würde. Auf seinem Weg in Richtung Kräutergarten, in dem sich das Treppchen und das kleine Tor zum Schlosshof befanden, drückte er sich fester an die Schlossmauer. Da er sich der vielen Äste erwehren musste, die ihm fortwährend ins Gesicht und an den Körper peitschten, merkte er nicht, wie ihm ein Ast seinen kleinen Lederbeutel vom Gürtel riss.
    Am Ende der Mauer lugte er vorsichtig um die Ecke. An dieser Stelle fiel das Gelände nicht mehr steil ab und er konnte sich – während er sich vorsichtig duckte und fast etwas ängstlich nach allen Seiten blickte – etwas vorwagen, um nachzusehen, was da oben los war. Als er Stimmen vom Dach herunter hörte, konnte er sich gerade noch rechtzeitig kleinmachen, um nicht gesehen zu werden.
    Auf dem First saßen, mit Stricken gesichert, der Kastellan und Ignaz, die damit beschäftigt waren, beschädigte Dachpfannen durch neue zu ersetzen. Dem Wortwechsel konnte der Totengräber entnehmen, dass bei den beiden noch jemand sein musste, den er nicht sehen konnte.
    Nachdem er ein Weilchen konzentriert gelauscht hatte, glaubte er, auch wenn er die dritte Person nicht sah, Lodewigs Stimme, die er erst vor Kurzem am Seelesgraben gehört hatte, zu erkennen.
    Wahrscheinlich reicht er die Dachpfannen aus einer Luke hinaus. Wenn dies der Fall ist, kann ich ihn jetzt nicht umbringen. – Andererseits … , überlegte er weiter, wäre sein kleiner Bruder ohne nennenswerten Schutz. Die Männer sind auf dem Dach und die Frau des Hauses ist wahrscheinlich immer noch an ihr Lager gefesselt. Wären nur noch die beiden Wachen, die den Kleinen schützen könnten.
    Geduckt schlich er sich am Kräutergarten

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