Der Pfad des Kriegers (German Edition)
viel zu kalt für angenehmes Arbeiten. Trotzdem würde er keine Schwäche zeigen. Frauen konnten bei den Maegrin Krieger werden, eine durchaus seltsame Sache, da sie viel zu schwach waren um in einer Schlacht zu bestehen, aber Männer verrichteten anscheinend keine Feldarbeit. Dieses Volk verwirrte ihn auch nach zwei Monaten noch.
Auch das Bild des fallenden Kopfes war noch immer nicht aus seinen Gedanke verschwunden. Es war bei den Göttern nicht der erste Mann, den er hatte sterben sehen. Nein, in den letzten Monaten hatte er genug Tote für den Rest seines Lebens gesehen. Aber in der Schlacht tötete man nicht um zu töten, sondern um zu überleben. Hier hingegen war ein Mensch ganz bewusst hingerichtet worden. Trotzdem hatten die Worte Hafgrimrs eine grausame Logik. Was war das Leben eines Mannes denn schon wert ohne die Gemeinschaft um ihn herum? Oft hatte ihm die alte Brina Geschichten von Ausgestoßenen erzählt, die wie Tiere lebten. Als Kind hatten ihn diese Geschichten auf eine gewisse Art und Weise fasziniert, heute sah er sie aus einem anderen Blickwinkel.
„Nicht aufhören zu arbeiten!“
Schnell machte sich Thomas wieder daran, die Rüben aus dem Boden zu buddeln und in den kleinen Korb zu werfen. Er war hier freundlich behandelt worden, freundlicher als er gedacht hatte, aber trotzdem wollte er nichts riskieren. Die Grausamkeit dieses Volkes war ihm gerade eben erst wieder demonstriert worden. Denn Grausamkeit war es. Kein Mann durfte über das Leben eines anderen Mannes entscheiden, dessen war sich Thomas sicher.
Seine Gedanken schweiften zu dem Tag zurück, als er in Anduil, wie die Maegrin die Siedlung nannten, angekommen war. Damals hatte er dem Gespräch zwischen Hafgrimr und seinem Enkel nicht folgen können, doch inzwischen war ihm vieles klar geworden und zum wiederholten Male rief er sich den Wortlaut des Gespräches zurück ins Gedächtnis. Oder zumindest das, was er für den Wortlaut hielt, denn schließlich hatte er damals noch kein Maegrin gekonnt und sich den Inhalt des Gesprächs später nur aus den paar Fetzen, die er sich gemerkt hatte, zusammengereimt. Aber inzwischen war er so oft zu diesem Moment zurückgekehrt, dass es in seinem Kopf eine feste Form angenommen hatte. Die Lücken hatte er mit dem gefüllt, was er für wahrscheinlich hielt.
Hafgrimr war erbost gewesen.
„Was soll ich denn mit einem Diener anfangen?“, hatte er Aun gefragt.
„Ich dachte du freust dich vielleicht, wenn du jemanden hast, der dir die langweiligeren Arbeiten abnimmt!“
Hafgrimr hatte nur verächtlich geschnaubt.
„Sehe ich schon so alt aus? Sollte ich vielleicht auf die See hinausschwimmen und sterben?“
„Du weißt genau, dass ich es nicht so gemeint habe!“
„Wie hast du es denn dann gemeint?“, entgegnete Hafgrimr seinem Enkel. „Unser Volk hat nie Sklaven gehalten. Ich verachte jeden Mann, der Diener braucht, um sein Leben zu führen! Nein, solange ich noch alleine meine Axt gürten kann, brauche ich keinen Diener und falls ich das eines Tages nicht mehr können sollte, Tuin gewähre mir einen Schlachtentod zuvor, werde ich schon Sorge dafür tragen, dass ich niemandem zur Last zu falle!“
Damals hatte Thomas der Wutausbruch Hafgrimrs stark beunruhigt, aber Aun war absolut ruhig geblieben und hatte mit nahezu monotoner Stimme eingewandt:
„Nun, wir konnten ihn schlecht dort liegen lassen. Er hätte nie überlebt!“
„Nein, das konntet ihr wohl nicht. Aber manchmal ist der Tod das gnädigere Schicksal für einen Mann.“
Damit war das Gespräch für Hafgrimr offensichtlich beendet und mit einer kurzen Handbewegung bedeutete er Thomas, ihm zu folgen. Seitdem hatte er ihn in erster Linie zur Feldarbeit geschickt, persönliche Arbeiten für Hafgrimr hatte Thomas nie erledigt, da war sich der alte Krieger treu geblieben.
Drei Mal hatte er seit diesem Tag versucht zu fliehen. Gleich in den ersten Tagen hatte er begonnen, kleinere Essensreste zu verstecken und sich einen Vorrat anzulegen. In der vierten Nacht war er dann leise aufgestanden und hatte sich einen maegrinischen Mantel umgelegt. Vorsichtig und langsam war er durch die Reihen der Schlafenden geschlichen und hatte nach wenigen Minuten den Ausgang des Langhauses erreicht. Als er durch die Tür trat, war hinter ihm auf einmal eine tiefe Stimme ertönt:
„Wenn du das nächste Mal versuchst zu fliehen, mach am besten nicht genug Lärm um die ganze Siedlung aufzuwecken.“
Mit diesen Worten hatte Hafgrimr sich
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