Der Pilot
gewesen war und gelächelt hatte, anstatt ein finsteres Gesicht zu machen; jemand, der sauber gewesen war und gut gerochen hatte und der hübsche Kleider getragen.
RUMS!
Die Tür fiel wieder zu, und der kleine Han (er wußte, daß dies sein Name war, aber er hatte keine Ahnung, wie er weiter hieß) zuckte bei dem Schmerz in seinem Kopf zusammen. Er gab diesen Gedanken normalerweise keinen Raum. Gedanken und Erinnerungen wie diese waren schlecht, sie taten weh, es war besser, sie nicht zuzulassen.
Er zog einmal mehr die Nase hoch und wischte sich erfolglos den Rotz ab. Er fand sich in einer brackigen Pfütze stehend; seine Füße waren so durchgefroren, daß er sie kaum spürte. Es war mittlerweile dunkel geworden, und es versprach, eine kalte Nacht zu werden.
Der Hunger wand sich in Hans Magen wie etwas Lebendiges, eine Kreatur, die furchtbar zubiß. Er erinnerte sich nicht mehr, wann er das letzte Mal gegessen hatte. War das heute morgen gewesen, als er im Abfall eine reife, saftige und nur halb verspeiste Kavasafrucht gefunden hatte? Oder in der letzten Nacht?
Er konnte nicht länger hierblieben, entschied der kleine Junge. Er mußte weiter. Han trat aus der Gasse auf den Gehweg hinaus. Er verstand sich aufs Betteln… Wer hatte ihm das wohl beigebracht?
RUMS!
Wer auch immer es ihn gelehrt hatte, hatte gute Arbeit geleistet. Han setzte sein mitleiderregendstes Gesicht auf und schlurfte auf den nächsten Passanten zu. »Bitte… Lady.«, jammerte er kläglich. »Hunger. Ich hab’ solchen Hunger.« Mit der Innenfläche nach oben streckte er die Hand aus. Die angesprochene Frau verlangsamte kaum ihren Schritt, dann blickte sie jäh auf die schmutzige Hand hinunter, schreckte zurück und raffte ihre Röcke, damit sie nicht mit ihm in Berührung kamen.
»Lady…« Han sog die Luft ein, drehte sich mit mehr als bloß professionellem Interesse nach ihr um und sah ihr nach. Sie trug ein schönes Kleid; zart, glänzend, schien es unter den grellen Lichtern der corellianischen Hafenstadt förmlich zu… leuchten.
Sie erinnerte ihn an jemanden… ihre großen, dunklen Augen, ihre glatte Haut, ihr Haar…
RUMS!
Jetzt schluchzte er. Hoffnungslos erbebte der schmächtige Körper unter Kälte, Hunger, Gram und Einsamkeit.
»He da! Han!« Die scharfe, jedoch keineswegs unfreundliche Stimme brach durch die Mauer aus Elend. Schniefend und schluckend blickte Han auf und sah eine hochgewachsene Gestalt sich über ihn beugen. Schwarzes Haar, blaßblaue Augen. Der Mann roch nach alderaanischem Ale und nach den Ausdünstungen eines halben Dutzends verbotener Drogen, aber anders als einige der übrigen Passanten stand er sicher auf den Beinen.
Als er bemerkte, daß Han zu ihm aufblicken mußte, ging der Mann in die Hocke und befand sich nur noch ein kleines Stück über Hans Augenhöhe. »Du weißt, daß du zu groß bist, um auf der Straße zu weinen, oder?«
Han nickte. Er zog noch immer die Nase hoch, versuchte jedoch, sich zusammenzureißen. »Ja-ah. Ja.« Er lispelte zuerst ein bißchen, so wie damals, als er zu sprechen gelernt hatte. Das war lange, lange her, dachte Han. Er konnte bereits seit der letzten Kälteperiode sprechen, und jetzt stand schon die nächste Kälteperiode bevor. Er konnte bereits sprechen, seit…
RUMS!
Der Junge erschauerte abermals, als sein Verstand brutal alle Erinnerungen an jene »Vorzeit« vor ihm verschloß. Jetzt drängte etwas anderes an die Oberfläche, etwas, das er in seiner Not zunächst übersehen hatte. Han riß die Augen auf. Dieser Mann hatte ihn beim Namen genannt! Woher kennt er meinen Namen?
»Sie… Wer sind Sie?« flüsterte Han. »Woher kennen Sie meinen Namen?«
Der Mann grinste und offenbarte dabei eine Menge Zähne. Han war klar, daß er eine freundliche Miene aufsetzen wollte, aber etwas an diesem Grinsen ließ ihn frösteln. Es erinnerte ihn an die Rudel wilder Canoiden, die in den Gassen auf Beutejagd gingen. »Ich weiß eine Menge, Junge«, gab der Mann zurück. »Nenn mich Captain Shrike. Kannst du das sagen?«
»Ja-ah. Captain Shrike«, plapperte Han unsicher nach. Er bekam jetzt, als das Schluchzen verebbte, einen Schluckauf. »Aber… woher kennen Sie meinen Namen? Bitte?«
Der Mann streckte eine Hand aus, als wolle er dem Jungen durchs Haar fahren, doch da schien er den Dreck und das Ungeziefer in dem jugendlichen Haarschopf zu bemerken und sich eines Besseren zu besinnen. »Du wärst überrascht, Han. Ich weiß über fast alles Bescheid, was sich hier
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