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Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Titel: Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli T. Swidler
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verschwand. Dort führte eine Art Senke, eine kleine Schlucht, den Berg hinauf, die nach oben hin immer enger wurde, ein Bachlauf, der nur zu heftigen Regenzeiten Wasser führte. Vielleicht hundert Meter höher kreuzte ein Wirtschaftsweg der forestale . Spätestens ab dort würde Roberto gegen den offensichtlich durchtrainierten Fini chancenlos sein. Wütend hob Roberto seine Waffe. Wenn er die restlichen zwölf Schüsse ungefähr in die Richtung abgab, wo der Kerl durch das Unterholz rannte, traf er ihn vielleicht.
    Aber er brachte es nicht fertig. Vorhin, das war etwas anderes gewesen, da hatte er um sein Leben gefürchtet, da hatte er sich verteidigt; jetzt jedoch fehlte die unmittelbare Bedrohung, und allein schon der Gedanke, einen Menschen möglicherweise zu töten, war unerträglich.
    Er stolperte zwischen den Eseln hindurch und wollte über den Elektrozaun hinwegsetzen – Esel … Waren die nicht gute Kletterer, und konnten die nicht erstaunliche Lasten tragen? Ungeachtet der Stromschläge trat Roberto den Zaun zu Boden, packte den nächstbesten Esel bei der Mähne und schwang ein Bein über dessen Rücken. Wenn er die Knie etwas anzog, berührte er nicht den Boden.
    «Los!», rief er und schlug dem Grautier mit der Hand auf den Hintern. Nichts. Porca puttana! Er versuchte es noch einige Male. Vergeblich. Das Viech rührte sich keinen Millimeter.
    Roberto versuchte sich zu erinnern. Er hatte Ottavio ein-, zweimal beobachtet, wie er oben auf dem Monte Dolciano einen Ausritt gemacht hatte. Wie Jesus hatte er ausgesehen mit seinen langen, lockigen Haaren und diesem sanften Gesicht. Er hatte das Tier mit zwitschernden Lauten, nicht mit Schlägen dirigiert. Vor allem aber hatte er sich nicht auf den Rücken, sondern weiter hinten auf den Hüftknochen gesetzt. Vorsichtig verlagerte Roberto sein Gewicht, und als hätte der kleine graue Kerl nur darauf gewartet, setzte er sich in Bewegung, mit schnellen, tippelnden Schritten und trittsicher wie eine Gämse, hinein in die Schlucht.
    Roberto hatte Mühe, sich auf dem schmalen Tier zu halten, zum Glück konnte er schnell mal rechts oder links ein Bein auf den Boden setzen, wenn er herunterzurutschen drohte. Fini vor ihm machte eine Menge Lärm, trat Geröll los und furchte lautstark durch das Unterholz, während der Esel leise wie ein Gespenst in einem geheimnisvollen Slalom jede Lücke nutzte und trotzdem sehr schnell vorankam. Bald konnte Roberto den Fliehenden sehen. Er machte sich keine Illusionen, dass er dem Killer in jeder Hinsicht unterlegen war. Sobald der ihn wahrnahm, sah es schlecht für ihn aus. Seine einzige Chance, ihn zu stellen, war das Überraschungsmoment. Jetzt.
    Er glitt von dem Esel herunter, verschaffte sich einen sicheren Stand und hob die Pistole. «Bleib stehen, Fini», sagt er so laut und so ruhig wie möglich. «Ich habe eine Beretta auf deinen Rücken gerichtet und noch zwölf Patronen im Magazin. Eine falsche Bewegung, und du wirst die Nacht nicht mehr erleben.»
    Fini erstarrte. Roberto krümmte den Zeigefinger bis zum Druckpunkt des Abzugs.
    Endlich hob Fini beide Hände.
    Vorsichtig tastete Roberto sich auf dem Geröll voran. Wahrscheinlich wollte Fini ihn in Sicherheit wiegen, und sobald er nah genug herangekommen war, würde er ihn mit der Kraft einer gespannten Feder anspringen. Festnahme von körperlich überlegenen Verdächtigen – war das nicht ein Punkt auf dem Lehrplan in Bologna gewesen, bevor er die Ausbildung zum commissario abgebrochen hatte? «Ihr müsst für das Schwein» – so hatte der Ausbilder tatsächlich geredet – «die Anzahl der Bewegungsabläufe, die er durchführen muss, um zu einer gezielten Aktion zu kommen, so weit wie möglich erhöhen.» Madonna! Zum Glück hatte der Ausbilder ein paar Beispiele gezeigt.
    «Leg dich auf den Bauch. Die Hände auf den Rücken. So, dass ich sie gut sehen kann.» Fast erstaunt registrierte Roberto, dass Fini genau das tat, wenn auch widerwillig. «Und die Beine spreizen.»
    Das sah schon deutlich besser aus. Aus dieser Position heraus dürfte eine gezielte Aktion sehr schwer auszuführen sein.
    «Pistolen-Körperkontakt, Knie in den Rücken, festes Sprechen», in diesem Moment konnte Roberto die Stimme des Ausbilders für physische Kontakte, so hatte der tatsächlich geheißen, regelrecht hören. «Achtet auf eure Stimmlage! Eine tiefe Stimme signalisiert: Ich habe keine Angst.» Erstaunlich, was letztendlich dann doch bei ihm hängengeblieben war, obwohl er damals in

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