Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
des duomo aufhalten, darf ich mal die Schlüssel haben und nachsehen?
Vor allem würde das dem Getratsche noch mehr Futter geben. Am besten war es, sich ausschließlich auf die faktische Seite der Ermittlungen zu konzentrieren.
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7.
Im Istituto di Chimica Generale ed Inorganica war nur noch eine marokkanische Putzfrau, die von Malpomena ausrichtete, dass sie im Palazzo Ducale gegenüber dem Institut zu finden war.
Roberto eilte auf die andere Seite der Piazza Rinascimento hinüber, er hasste Umwege. An seiner Müdigkeit hatte sich trotz des Nickerchens, das er sich inzwischen auf der Couch im Hinterzimmer von Totos Bar gegönnt hatte, nichts geändert. Franco hingegen wirkte frisch und ausgeruht. Er hatte sich vor die Couch auf einen Bastteppich gelegt und war sofort eingeschlafen, während Roberto noch eine Weile von seinen Gedanken wach gehalten worden war. Sein Ärger über Thilo Gruber, diesen lästigen Eindringling, wuchs mit jeder Begegnung. In seinem Dorf Rombolina konnte er ihm leicht aus dem Weg gehen. In Urbino hingegen hatte er das Gefühl, der Kerl lauere ihm regelrecht auf, um ihm mit seiner widerlichen Freundlichkeit auf den Nerven herumzutrampeln.
Der unscheinbare Eingang an der Längsseite des Palazzo war außen mit zwei Kameras und innen mit einer Sicherheitsschleuse versehen, die aus zwei Panzerglastüren bestand, die man nicht gleichzeitig öffnen konnte. Roberto wollte gerade klingeln, als die Baronessa Concetta Del Vecchio Onori heraustrat, die rüstige Oma der vier Schwestern.
«Ou , Roberto, mein Junge, wie geht es dir?» Sie sah ihn streng an. «Du hast dich nun schon eine ganze Weile nicht mehr sehen lassen.»
«Ich war doch vor vier Tagen erst bei Ihnen, Baronessa. Zum Tee, am Nachmittag.»
Die Baronessa winkte ab. «In meinem Alter sind vier Tage eine Ewigkeit. Weil man nie weiß, ob es nicht die letzten sein werden.»
Das war natürlich Unsinn, die alte Dame war erst einundachtzig und äußerst robust. «Leider habe ich sehr viel zu tun», erwiderte Roberto. «Die Arbeit, der neue Rotwein, die Olivenernte.»
Die Baronessa lächelte versonnen. «Ach, wie ich das geliebt habe als Kind, die Olivenernte! Man musste vorsichtig hantieren, und trotz allem musste es schnell gehen, der Ölmüller wartete schon, und er hatte alles vorbereitet.»
So weit der Unterschied zwischen Adel und Normalsterblichen, dachte Roberto. Vittore Lorenzetti von der frantoio oro würde niemals auf ihn warten, im Gegenteil.
«Und das Öl! Rein und herrlich duftend lief es in die irdenen Amphoren. Und dann das gerade erst gebackene, frische Weißbrot ins Öl getunkt – welch ein Genuss!» Sie spürte ein wenig der Erinnerung nach, dann drückte sie mit beiden Händen Robertos Rechte. «Geh hinein, Robertino. Meine vier Grazien», sie lächelte, «stehen etwas unter Schock.»
Sie nickte zum Abschied, packte ihren silberbeschlagenen Gehstock fester und marschierte los, aufrecht, mit kräftigen Schritten und großer Würde. Als Stütze brauchte sie den Stock nicht, sondern nur für den Fall, dass ihr jemand den Weg versperrte. Dann klopfte sie demjenigen gegen die Brust und sagte nicht mehr als: «Respekt.» Selbst die demonstrativ selbstbewussten amerikanischen Studenten nahmen sofort Haltung an und entschuldigten sich.
Hinter der Schleuse wurden Roberto und Franco von Talia empfangen. «Robertaccio!», rief sie gut gelaunt und hakte sich bei ihm und Franco ein. «Und den maestro hast du auch mitgebracht!» Es gab niemanden in Urbino, den Talia nicht kannte, auch wenn Franco nicht gerade zu ihrer bevorzugten Klientel zählte. Wenn er und seine Leute zusammenhockten, konnten sie stundenlang über Themen reden wie: War die Quartenschichtung von Akkorden, wie Arnold Schönberg sie verwendete, der erste Schritt zu einer durchgängigen Atonalität, wie Stockhausen sie später zur Meisterschaft gebracht hatte? Hasste Erik Satie den Kontrapunkt? Talia hatte ganz andere Vorstellungen von einem Künstlertreffen. Für sie waren Künstler schrille, egomane Lautsprecher, die sich ständig in Szene setzten und Dinge taten, über die man am nächsten Tag etwas in der Zeitung lesen konnte.
«Er weigert sich, sich mehr als dreißig Zentimeter von mir zu entfernen», muffelte Roberto. Wie immer fühlte er sich von Talias guter Laune und ihrem Temperament gleichermaßen genervt wie angezogen. Von den Del-Vecchio-Schwestern war sie bei weitem die Verführerischste. Allein schon der Duft, den sie
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