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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Port nicht. 20 Prozent Alkohol sind viel, ein oder zwei Gläser sind okay, mehr sollte man davon nie trinken.
     Erstens schmeckt es dann nicht mehr, und zweitens ist es ungesund. Beim Probieren spuckt man alles wieder aus und nimmt dann
     einen Schluck Wasser, um den Mund zu spülen.« Der Barmann wandte sich nach der Batterie Flaschen um, die aufgereiht hinter
     ihm standen. »Wir beginnen mit einem weißen Port, die Rebsorten Rabigato und Malvasia Fina, gewachsen auf Schieferboden, in
     niedriger Höhe, heißes und trockenes Klima dort . . .«
    Es war ein heller Port, er roch leicht grasig und duftete nach Birne. »Der Restzuckergehalt, also der bei der Gärung nicht
     in Alkohol umgewandelte Zucker, liegt bei 100 Gramm pro Liter. Die Süße lässt das Gefühl von Volumen entstehen, dieser hier
     eignet sich als Aperitif. Der nächste ist dezenter, deshalb heißt er auch ›Fine White Port‹, er wirkt etwas voller.«
    Nicolas probierte und versuchte, die Erklärungen in |61| Übereinstimmung mit dem Duft zu bringen, wie er ihn wahrnahm, und mit dem, was er schmeckte. Das mit dem Duft und dem Volumen
     konnte er nachvollziehen. Bei den Tawnys wurde es dann schwieriger. Davon setzte ihm Carlos eine acht Jahre alte Version vor,
     die in den Fässern hinter der Glaswand gereift war. Der Port hatte die Farbe von schwarzem Tee, wobei der nicht schwarz, sondern
     von gelblichem Braun war und einen winzigen Stich ins Rot hatte, wie eine dunkle Zwiebelschale. Dann kam ein zehn Jahre alter
     Tawny. Das war für Nicolas etwas völlig anderes als in den anderen Häusern. Dieser hier roch nach Früchten, nach Birne und
     getrockneter Aprikose. In gewisser Weise erinnerte dieser Port an den seines Onkels.
    »Genau so ist es«, bemerkte Carlos lapidar. »Du hast eine gute Nase, ausbaufähig, aber es kommen . . .«, er führte das Glas
     an die Nase, ». . . es kommt etwas Pfirsich hinzu, ein süßlicher Apfel, ja, getrocknete helle Früchte generell. Er ist leicht
     und delikat, iss mal einen reifen Pfirsich dazu.«
    Der Nächste unterschied sich von dem Vorhergehenden in der Säure, sie war stärker, was ihn frischer machte. »Wirklich, der
     lebt von der Säure. Ein Wein ohne Säure, egal ob Port oder Vinho de Mesa, ist langweilig, ja tot. Der hier wird sich entwickeln,
     mir ist er noch zu medizinisch. Wofür machst du das, weshalb willst du das wissen?«, fragte Carlos übergangslos. »Du bist
     kein Weinkenner, bist auch kein Händler, und dein Hobby ist es auch nicht, dazu bist du zu ernst. Weshalb das Ganze?
Para que todo isso?
«
    Die Frage hatte Nicolas kommen sehen. Beantworten durfte er sie auf keinen Fall, dann wäre er wieder etwas, was er nicht sein
     wollte, nämlich der Sohn aus reichem Hause. Oder Carlos würde ihn bemitleiden, er selbst war in einem großen Unternehmen tätig
     und Nicolas in der Klitsche am Douro. Und da sie nie wieder aufeinandertreffen würden, konnte er ihm jede Story auftischen.
    »Ich bin Architekt, weißt du, ich soll in Berlin eine Weinhandlung |62| für portugiesischen Wein einrichten, und ich mache mich vorher eben schlau.«
    Carlos prustete vor Lachen. »Architekt? Unglaublich – ich auch. Du hast also einen Job? Ich dachte, wir sind überall arbeitslos.
     Dann geht’s dir besser als mir. Ich habe aufgegeben. Ich studiere jetzt Önologie in Vila Real, Weinbau und Kellerwirtschaft.
     Reich wird man damit auch nicht, bei uns sind die Gehälter bescheiden, fängt bei 1800 Euro im Monat an. Hier verdiene ich
     mir mein Studium. Deine Idee ist nicht schlecht, Architektur und Kellerwirtschaft, das hätte mir auch einfallen können. Wir
     sollten uns zusammentun und Kellereien bauen, Weingüter und Weinläden entwerfen,
adegas, quintas
und
vinotecas
. Leider ist die Zeit der großen Brüsseler Subventionen vorbei.« Carlos schenkte wieder ein. »Der hier ist zwanzig Jahre alt,
     eigentlich ähneln die Tawnys sich alle, aber dieser hier ist anders.«
    Nicolas hatte den Eindruck, dass Carlos ihm flüssigen Bernstein ins Glas goss. Dieser Port war voll und tief, der Karamellduft
     stammte wahrscheinlich vom Zucker, der in diesen Weinen nicht vollständig vergoren war. Es war bei Weitem sinnvoller, die
     Weine zu probieren und sie erklärt zu bekommen, als sich Bücher reinzuziehen.
    »Von jetzt an lässt du das Spucken sein, von jetzt an wird es als Verbrechen geahndet«, meinte Carlos ernst und griff nach
     der nächsten Flasche mit einer 30 auf dem Etikett. »Davon ist jeder Tropfen

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