Der Prediger von Fjällbacka
Gefängnisregister vornehmen. Gibt es jemanden, der in der Zeit zwischen dem Verschwinden von Siv und Mona und dem Mord an dem deutschen Mädchen im Knast gesessen hat? Das würde die Pause erklären.« Gösta klang nachdenklich, und Patrik schaute ihn verwundert an. Der Alte war nicht so weit weggetreten, wie er gedacht hatte.
»Das müßte sich ziemlich leicht herausfinden lassen. Wir haben in Schweden nicht viele, die zwanzig Jahre gesessen haben. Kontrollierst du das, wenn wir wieder im Revier sind?«
Gösta nickte und saß dann schweigend da und schaute aus dem Seitenfenster.
Der Weg zu der alten Försterei wurde immer holpriger, und die Fahrt zog sich hin, auch wenn die Strecke zwischen der Residenz von Gabriel und Laine und dem kleinen Haus der Jungen per Luftlinie nur kurz war. Das Grundstück sah aus wie ein Schrottplatz. Drei ramponierte Autos in verschiedenen Stadien des Verfalls erweckten den Eindruck, als hätte man sie dort entsorgt, und es gab auch eine Menge anderes Gerümpel von undefinierbarem Charakter. Die Familie gehörte offenbar zu den Messis, und Patrik hatte den Verdacht, wenn sie an diesem Ort ein bißchen herumstöbern würden, käme wohl auch einiges Diebesgut zu Tage, das bei Einbrüchen in Ferienhäusern dieser Gegend als verschwunden gemeldet worden war. Aber nicht deshalb waren sie heute hier. Es war wichtig, für seine Aktionen den geeigneten Zeitpunkt zu wählen.
Robert kam ihnen aus einem Schuppen entgegen, in dem er an einem der alten Autowracks gebastelt hatte. Er trug einen verdreckten Arbeitsoverall von ausgeblichener blaugrauer Farbe. Seine Hände waren ölverschmiert, und er hatte sich offenbar ins Gesicht gefaßt, denn auch dieses war voller Flecken. Er wischte sich die Hände an einem Lappen ab, während er auf sie zukam.
»Scheiße, was wollt ihr denn jetzt? Wenn ihr vorhabt, hier rumzuschnüffeln, will ich erst die richtigen Papiere sehen, bevor ihr irgendwas anfaßt.« Er hatte einen ungezwungenen Ton angeschlagen. Mit Recht, immerhin waren sie im Laufe der Jahre alte Bekannte geworden.
Patrik hob abwehrend die Hände. »Immer mit der Ruhe. Wir wollen hier nichts suchen. Wir wollen nur ein bißchen reden.«
Robert schaute sie mißtrauisch an, nickte dann aber.
»Und wir wollen auch deinen Bruder dabei haben. Ist er zu Hause?«
Unwillig nickte Robert von neuem und brüllte zum Haus hin: »Johan, die Bullen sind hier. Die wollen mit uns reden!«
»Könnten wir nicht reingehen und uns setzen?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, ging Patrik auf die Tür zu, Gösta im Schlepptau. Robert blieb nichts anderes übrig, als mitzugehen. Er machte sich nicht die Mühe, den Blaumann auszuziehen oder sich zu waschen. Von seinen früheren Überraschungsbesuchen her wußte Patrik, daß es dazu auch keinen Anlaß gab. Dreck klebte an allem, was sich in den Räumen befand. Vor vielen Jahren war das Häuschen, in dem sie wohnten, bestimmt richtig gemütlich gewesen, selbst wenn es nur klein war. Aber nach jahrelanger Vernachlässigung wirkte alles wie kurz vor dem Zusammenfallen. Die Tapeten waren von düsterem Braun, einige Bahnen hatten sich gelöst, und außerdem hatte man das Gefühl, alles sei von einem Fettfilm überzogen.
Die beiden Beamten nickten Solveig zu, die an dem wackligen Küchentisch saß, voll beschäftigt mit ihren Fotoalben. Das dunkle Haar hing ihr in Strähnen ins Gesicht, und als sie es nervös aus den Augen strich, glänzten die Finger vor Fett. Unbewußt wischte sich Patrik die Hände an den Shorts ab und setzte sich dann vorsichtig auf den äußersten Rand eines der Sprossenstühle. Johan kam aus einem der angrenzenden kleinen Zimmer und nahm mürrisch neben Bruder und Mutter auf der Küchenbank Platz. Als sie dort so nebeneinander saßen, bemerkte Patrik die Ähnlichkeit. Solveigs alte Schönheit war noch in den Gesichtern der Jungen zu finden. Nach dem, was Patrik gehört hatte, war Johannes ein gutaussehender Mann gewesen, und wenn seine Söhne den Rücken durchdrücken würden, wären sie auch nicht zu verachten. Jetzt hatten sie etwas Ungreifbares an sich, das irgendwie ein schlüpfriges Gefühl hinterließ. »Ganovenhaft« war wohl das Wort, nach dem Patrik suchte. Wenn ein Aussehen ganovenhaft sein konnte, so traf es zumindest auf Robert zu. Was Johan anging, hatte Patrik immer noch ein bißchen Hoffnung. In den Fällen, wo er dienstlich mit den beiden zu tun gehabt hatte, war ihm der jüngere Bruder immer etwas weniger verhärtet erschienen.
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