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Der Prediger von Fjällbacka

Der Prediger von Fjällbacka

Titel: Der Prediger von Fjällbacka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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seinen Vater als Fremden zu betrachten, aber diese Beschreibung kam der Sache am nächsten. Sicher hatte man ihm erzählt, wie sein Vater zusammen mit seiner Mutter Tag und Nacht im Krankenhaus gewacht hatte, aber seine Erinnerung daran war nur vage, verschwamm wie im Nebel, und sie waren sich auch dadurch nicht nähergekommen. Nähe hatte er indessen bei Ephraim gespürt, in dem er meist mehr einen Vater als einen Großvater gesehen hatte. Von dem Augenblick an, da Ephraim dem Enkel das Leben gerettet hatte, indem er ihm vom eigenen Knochenmark spendete, hatte er in Jacobs Augen einen Glorienschein besessen.
    »Arbeitest du heute nicht?«
    Seine Mutter klang genauso ängstlich wie immer, als sie da neben ihm auf dem Sofa saß. Jacob fragte sich, was es wohl für Gefahren waren, die ihrer Befürchtung nach an der nächsten Ecke lauerten. Solange er sich erinnern konnte, hatte sie gelebt, als würde sie am Rand des Abgrunds entlangbalancieren.
    »Ich hatte gedacht, heute etwas später hinzufahren. Und lieber abends noch etwas zu arbeiten. Ich hatte das Gefühl, herkommen zu müssen und zu sehen, wie es mit euch steht. Ich habe von den eingeschlagenen Scheiben gehört. Mutter, warum hast du nicht mich angerufen statt Papa? Ich hätte doch in Null Komma nichts zu Hause sein können?«
    Laine lächelte liebevoll. »Ich wollte dich nicht beunruhigen. Es bekommt dir nicht, dich aufzuregen.«
    Er gab keine Antwort, sondern lächelte milde in sich hinein.
    Sie legte ihre Hand auf die seine. »Ich weiß, ich weiß, aber laß mich doch. Es ist schwer, alten Hunden das Sitzen beizubringen, verstehst du.«
    »Du bist doch nicht alt, Mama, du bist doch noch immer das reinste junge Mädchen.«
    Sie errötete vor Entzücken. Solche Sätze zwischen ihnen waren beiden wohl vertraut, und er wußte, daß sie es liebte, derartige Kommentare zu hören. Er gab sie auch gern. Sie hatte wohl nicht gerade viel Spaß gehabt in all den Jahren mit seinem Vater, und Komplimente waren kaum Gabriels starke Seite.
    Gabriel schnaufte ungeduldig in seinem Sessel, dann stand er auf.
    »Nun ja, jetzt hat die Polizei mit deinen Taugenichtsen von Cousins gesprochen, und sie halten sich hoffentlich ein Weilchen zurück.« Er ging langsam auf sein Büro zu. »Hast du Zeit, einen Blick auf die Zahlen zu werfen?«
    Jacob küßte seiner Mutter die Hand, nickte und folgte seinem Vater. Gabriel hatte vor einigen Jahren begonnen, den Sohn in die Geschäfte des Hofes einzuführen, und die Ausbildung dauerte noch immer an. Sein Vater wollte sichergehen, daß Jacob eines Tages ganz und gar imstande war, das Anwesen zu übernehmen. Glücklicherweise hatte Jacob die natürliche Veranlagung, einen Hof zu führen, und bewältigte die Aufgaben, sowohl was die Zahlen als auch die praktischeren Dinge anging, ohne alle Schwierigkeiten.
    Nachdem sie die Köpfe ein Weilchen über den Büchern zusammengesteckt hatten, richtete sich Jacob auf und sagte: »Ich hatte vor, mal wieder oben bei Großvater reinzuschauen. Es ist so lange her, daß ich dort gewesen bin.«
    »Hmm, wie? Ja, mach das nur.« Gabriel war tief in die Welt der Zahlen versunken.
    Jacob stieg die Treppen zum Obergeschoß hoch und ging langsam auf die Tür zu, die zum linken Flügel des Gutshauses führte. Dort hatte Großvater Ephraim bis zu seinem Tod gelebt, und Jacob hatte viele Stunden seiner Kindheit hier oben verbracht.
    Er betrat die Wohnung. Alles war unberührt. Jacob hatte seine Eltern gebeten, nichts in dem Flügel umzustellen oder zu verändern, und sie hatten seinen Wunsch respektiert, sich der besonderen Beziehung wohlbewußt, die ihn mit Ephraim verbunden hatte.
    Die Zimmer zeugten von Stärke. Die Einrichtung war maskulin und dunkel. Sie unterschied sich drastisch von der ansonsten hellen Möblierung des Hauses, und Jacob hatte immer das Gefühl, eine andere Welt zu betreten.
    Er setzte sich in den Ledersessel, der an dem einen Fenster stand, und legte die Füße auf den Schemel davor. So hatte Ephraim da gesessen, wenn Jacob hier war, um ihn zu besuchen. Er selbst hatte, wie ein Welpe zusammengerollt, vor ihm auf dem Boden gehockt und andächtig den Geschichten von früher gelauscht.
    Die Erzählungen von den Erweckungsversammlungen hatten ihn mitgerissen. Ephraim hatte anschaulich die Ekstase in den Gesichtern der Menschen beschrieben und ihre totale Konzentration auf ihn und seine Söhne. Der Großvater hatte eine Donnerstimme besessen, und Jacob hatte nie daran gezweifelt, daß sie Menschen

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