Der Preis der Ewigkeit
Blick. Walters Lippen wurden schmal, als sie ihn unnachgiebig anstarrte.
„Richtig. Die meisten von uns wussten nicht, dass du nicht längst auf der Suche nach ihr warst.“
Ach ja. Dieser Moment zwischen Henry und Walter in seinem Büro. Henry hatte angedeutet, Walter hätte gewusst, was los war. „Und die ganze Zeit über bist du nicht auf die Idee gekommen, es könnte hilfreich sein, jemand anders loszuschicken?“, warf ich ihm an den Kopf.
Wieder räusperte Walter sich. „Wir haben darauf hingearbeitet, den drohenden Krieg abzuwenden, nicht, ihn zu provozieren.“
„Ach ja? Und wie hat das so funktioniert?“, fragte ich schneidend, und meine Mutter drückte meine Hand, ein stummer Befehl, jetzt den Mund zu halten.
Aber dies war alles meine Schuld. Ich hatte die Unsterblichkeit errungen und Calliope ihren Henry gestohlen, zumindest sah sie es so. Erst durch meinen dämlichen Fehler war Henry gezwungen gewesen, Kronos aus dem Tartaros zu befreien. Und jetzt waren fast eine Million Menschen tot, weil ich Kronos verlassen hatte, und zweifellos würden weitere folgen.
Nein, ich würde meinen Mund nicht halten.
„Strampelt ihr euch ruhig weiter ab mit euren Versuchen, eine Lösung zu finden: Ich werde nach ihr suchen“, erklärte ich. „Und ich werde sie dazu bewegen, uns zu helfen.“
Ich erwartete Widerspruch, doch der Rat blieb stumm. „Das ist unsere beste Möglichkeit, eine mächtige Verbündete zu gewinnen“, sagte Sofia einen langen Moment später. „Es besteht keinerlei Hoffnung, dass wir Calliope zurück auf unsere Seite holen können, und ohne einen Ausgleich der Mächte werden mehr Städte fallen, mehr Menschen sterben. Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber ich bin bereit, alles zu probieren, was uns Frieden schenken könnte.“
Walter seufzte matt und wieder zeigte sich die Last, die auf seinen Schultern ruhte. „Also gut. Wenn du Rhea überzeugen kannst, uns zu helfen, Kronos aufzuhalten, würdest du uns einen großen Dienst erweisen, Kate.“
Und vermutlich Millionen – wenn nicht Milliarden – Menschen vor dem Tod bewahren. Tja. Da gab es nichts zu überlegen. „Ich mach’s.“
„Ich gehe mit ihr“, schaltete James sich ein. Wieder trafen sich unsere Blicke und diesmal sah ich nicht weg. „Ob’s dir gefällt oder nicht, ich bin der Einzige, der sie aufspüren kann, also fang gar nicht erst an zu diskutieren.“
„Hatte ich nicht vor“, versicherte ich ihm. „Ich vertraue dir.“ Wenn es eine Person gab, von der ich wusste, dass sie mich niemals verraten würde, dann war das James. Seine moralischen Vorstellungen mochten nicht die besten sein, was Sex mit verheirateten Frauen anging, aber in diesem Krieg ging es für ihn um nichts als sein eigenes Überleben.
„Wir müssen einander jetzt alle vertrauen“, beschwor uns Walter. „Sowohl denen, die hier sind, als auch denen, die fehlen.“ Einen Augenblick lang ließ er den Blick auf Avas leerem Thron aus Muscheln ruhen, dann wandte er sich wieder mir zu und mein Mund wurde trocken. „Wir alle haben Fehler gemacht. Wir alle haben unser Päckchen zu tragen. Aber wenn wir nicht zusammenstehen, werden wir fallen. Wir müssen Vergebung und Verständnis in uns finden. Das pure Böse gibt es nicht. Selbst Kronos hat seine Gründe für das, was er tut, und je besser wir einander verstehen, desto größer sind unsere Chancen, eine Lösung zu finden, bevor uns der Boden unter den Füßen wegbricht.“
Ich schluckte. Als ich zum ersten Mal dem Rat gegenübergetreten war, hatte ich Calliope den Mord an mir vergeben. Ich hatte die Gründe hinter ihren Verbrechen erkennen können und auf gewisse Weise hatte ich sogar Verständnis für sie empfunden. Doch wenn Walter wirklich von mir verlangte, dass ich dasselbe mit Ava täte …
Es war nicht mein Leben, das sie in Gefahr gebracht hatte. Es war das von Milo und manche Dinge waren unverzeihlich. Doch trotz meines Zorns wollte ich ihr vergeben – ich wollte Verständnis haben. Ich wollte, dass sie wieder auf unserer Seite stand. Und ich verstand, warum sie es getan hatte, selbst wenn ich es mir nicht eingestehen wollte. Calliope erpresste sie, benutzte Nicholas’ Leben, um sich Avas Kooperation zu sichern. Die Zeichen an jenem Tag waren unübersehbar gewesen, als sie und ich gemeinsam die Unterwelt verlassen hatten, und hätte ich einen Augenblick lang darüber nachgedacht, wäre mir klar gewesen, dass etwas nicht stimmte. Avas Kraft lag in ihrer Liebe für andere. Ich hatte
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