Der Preis der Ewigkeit
das Gesicht. „Dazu ist ihnen ihr Leben und das der Menschen viel zu wertvoll.“
So gut kannte Kronos also seinen jüngsten Sohn.
„Bald wirst du meine Königin sein“, raunte Kronos und seine Lippen kitzelten mich am Ohr. Henrys Miene war mörderisch. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, ihn mit herzubringen. „Du hast doch deine Meinung nicht geändert, oder, meine Liebe?“
Fest blickte ich Henry in die Augen. Er musste verstehen, dass all das hier nur gespielt war. „Nein“, sagte ich wahrheitsgemäß. „Ich hab meine Meinung nicht geändert.“
„Braves Mädchen“, murmelte Kronos, und Henry straffte die Schultern, die Hände zu Fäusten geballt, als stünde er kurz davor, Kronos eine zu verpassen. Nicht, dass ihm das etwas gebracht hätte. Selbst wenn er Kronos hätte berühren können, Schaden zufügen könnte er ihm nicht.
„Ich werde nach Calliope suchen“, sagte Henry. „Du bleibst hier.“
Ich weitete die Augen und setzte zum Protest an, doch ich konnte nicht riskieren, dass der Titanenkönig Henry entdeckte. Kurz zögerte er noch und beugte sich über die Wiege, um mir einen Kuss auf die Wange zu drücken. Wenigstens verstand er es.
Als Henry den Raum verließ, legte Kronos die Hände erneut auf meine Schultern. „Na siehst du“, murmelte er. „Entspann dich.“
Das war das Letzte, was ich tun wollte, doch ich spielte mit und zwang mich zur Ruhe. Es bestand immer noch Hoffnung. Es musste einfach so sein.
„Wenn du und ich zusammen sind, wirst du nie wieder eine Träne weinen.“ Kronos’ Stimme war kaum mehr als eine sachte Brise. „Du wirst niemals Schmerzen empfinden. Für dich wird es nur Glück und Freude geben. Alle werden sich vor dir verneigen. Jeder wird wissen, dass du, Kate Winters, meine Königin bist. Und dafür werden sie dich alle lieben und fürchten.“
Ich wollte nicht gefürchtet werden. Und konnte gut darauf verzichten, dass sich irgendjemand vor mir verbeugte. Doch egal, wie oft ich es beteuerte, Kronos würde niemals begreifen, was Glück ohne absolute Macht bedeutete. Er würde nie verstehen, warum ich immer Henry lieben würde und niemals ihn. Aber wenigstens war Henry nicht hier und musste sich das anhören.
„Was machst du da?“
Kronos’ Hände erstarrten. Ich versuchte mich umzudrehen, aber er stand mir im Weg. Nicht, dass das einen Unterschied gemacht hätte. Diese Stimme hätte ich überall erkannt.
Ava lud einen Stapel Bettwäsche auf dem Wickeltisch ab und ging auf uns zu, den Blick auf Kronos gerichtet. Mich konnte sie nicht sehen. „Mit wem redest du?“
„Mit dem Baby“, behauptete Kronos glatt. „Jemand muss für seine Erziehung sorgen.“
„Nein, tust du nicht“, widersprach Ava und kam noch näher. Ihre Hände bebten. Sie hatte genauso viel Angst vor Kronos wie alle anderen. „Du hast Kates Namen gesagt.“
„Dann habe ich ihm eben von seiner Mutter erzählt.“ Kronos richtete sich auf und ließ die Hände sinken. Offenbar war ihm klar geworden, dass es seiner Glaubwürdigkeit nicht unbedingt zuträglich war, die Schultern einer Unsichtbaren zu massieren. „Was stört dich daran?“
Avas Blick huschte von einer Ecke in die nächste. „Kate ist hier, nicht wahr?“
Amüsiert verzog Kronos die Lippen. „Vielleicht“, räumte er ein. „Vielleicht aber auch nicht.“
Mir wurde übel. Sie war mir so nah, dass ich nur die Hand hätte ausstrecken müssen, um sie zu berühren, wenn ich gewollt hätte.
„Ich will mit ihr reden“, forderte Ava mit einer Spur eiserner Entschlossenheit in der Stimme. „Ich weiß, dass ihr zwei miteinander kommuniziert, dass du sie hören kannst und sie dich, und – und ich will, dass du ihr etwas sagst.“
Ich runzelte die Stirn. Wie konnte Ava sich da so sicher sein? Kronos hatte es ihr gegenüber nicht erwähnt, sonst wäre sie nicht so entschlossen gewesen, recht zu behalten. Wer wusste sonst noch davon? Der Rat, aber von denen stand niemand in Kontakt zu Ava. Außer natürlich, es gab einen weiteren Verräter.
Nein, das war unmöglich. Nicholas war Calliopes Gefangener; Ella und Theo hatten sich zurückgezogen, genau wie Xander. Allen anderen hätte ich mein Leben anvertraut. Bis auf Dylan, aber der hätte niemals etwas getan, womit er riskierte, einen Kampf zu verlieren – am allerwenigsten Informationen an den Feind weiterzugeben. Oder war alles bloß eine riesige Täuschung und er stand doch auf Kronos’ Seite?
Ich biss mir auf die Unterlippe. So durfte ich nicht
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