Der Preis des Schweigens
so klar ist, dass man Hunderte von Kilometern weit blicken kann.
Wer wäre darauf gekommen, dass es sich um den Kopf einer achtundzwanzigjährigen Frau in einem eleganten Wickelkleid handelte, die zwischen den gestärkten weißen Hemden und Schulterklappen der Führungsriege eines der größten Polizeibezirke Großbritanniens saß?
Von meinem fernen Beobachtungsposten in der amerikanischen Wüste beobachtete ich die hemdsärmeligen Männer, die sich um den Besprechungstisch des Chief Superintendent geschart hatten, um mit routinierter Autorität die Stifte zu schwingen, mit den Uniformmützen herumzuspielen und Kaffee zu schlürfen. Manche von ihnen waren grauhaarig, ruhig und wohlmeinend, andere sprühten nur so vor Ehrgeiz und jugendlicher Selbstüberschätzung. Keiner von ihnen schien irgendetwas mit mir und meinem Leben zu tun zu haben.
Der Grund für meine Bestürzung war, dass Bodie auf Wunsch des Detective Inspector ebenfalls an unserem wöchentlichen Meeting in der Kommandozentrale teilnahm, um uns von einem wichtigen Fall zu berichten.
Auf meinen fragenden Blick hin flüsterte er mir zu: »In einem Wohnwagenpark in Aberthin hat es ein Feuer gegeben. Die Presse schnüffelt überall herum und belästigt die Leute.«
Ich musste eine quälende halbe Stunde ausharren, in der ich mich immer wieder fragte, was das zu bedeuten hatte. Aberthin? Dort gab es nur einen Wohnwagenpark. Das konnte kein Zufall sein.
Als Bodie endlich vor versammelter Runde das Wort ergriff, erfuhr ich, dass Justins Wohnwagen mitsamt den beiden danebenliegenden Wohnwagen in den frühen Morgenstunden in Flammen aufgegangen war. Für gewöhnlich fiel Aberthin nicht in den Aufgabenbereich der Kripo von Cardiff, aber die Kollegen aus Swansea West hatten genug mit dem angeblich pädophilen Pfarrer und einem blutigen Mordfall zu tun, daher war unser Team dazu abkommandiert worden, ein wenig Schützenhilfe zu leisten.
Auch die Pressestelle unserer Wache wäre normalerweise nicht mit dem Fall betraut worden, aber der für Swansea zuständige Pressesprecher war schon längere Zeit wegen eines stressbedingten Leidens krankgeschrieben, sodass es an uns hängenblieb, uns mit den Medien auseinanderzusetzen.
Es fiel mir schwer, die Panik darüber niederzuringen, dass mein privates Martyrium auf unerklärliche Weise in meine tägliche Arbeit eingedrungen war. Es hatte mir gerade noch gefehlt, dass meine Kollegen jeden Winkel des Wohnwagenparks durchkämmten und überall Fragen stellten.
Dem knappen vorläufigen Schadensbericht entnahm ich, dass der Brand vermutlich in Gwens und Lens Wohnwagen ausgebrochen war, von wo aus er auf die beiden anderen Wohnwagen übergegriffen hatte, auf den der direkten Nachbarn und den der Mathrys. Der Fall wurde als mögliche Brandstiftung behandelt.
Die Feuerwehr leistete ihren Beitrag zu den Ermittlungen, indem sie die verkohlten, qualmenden Trümmer durchkämmte, während die Kollegen von der Kriminalpolizei Zeugenaussagen aufnahmen und mit den Besitzern der Wohnwagen sprachen. Ein Polizeihund hatte bereits einen möglichen Brandbeschleuniger erschnüffelt, vermutlich Benzin oder Gas. Allerdings wurden natürlich die meisten alten Campingkocher mit Gasflaschen betrieben. Zum Glück schien niemand verletzt worden zu sein.
Vertreter von NewsBeatWales und Chronicle waren bereits am Morgen vor Ort gewesen und hatten die Polizei bei der Arbeit gestört und versucht, die Absperrung zu durchdringen. Außerdem hatten sie mit den herumstehenden Schaulustigen gesprochen, und ein Reporter war sogar dabei erwischt worden, wie er sich innerhalb des Absperrbands hinter einer Hecke versteckte und versuchte, von dort aus Fotos zu schießen. Er war höflich, aber bestimmt nach draußen geführt worden.
Die Leitstelle hatte um acht Uhr morgens eine kurze Stellungnahme abgegeben, um die Medien fürs Erste zufriedenzustellen, aber wir wussten alle, dass wir so schnell wie möglich eine ausführlichere Pressemitteilung verfassen mussten.
»Ich möchte bitte über sämtliche Probleme mit den Medien oder der örtlichen Gemeinde informiert werden«, bat mich Superintendent Sellers eindringlich.
»Meistens handelt es sich bei solchen Bränden um Versicherungsbetrug«, erklärte Bodie, als ich nach dem Meeting mit gezücktem Stift und Notizblock vor seinem Schreibtisch saß. Ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich hören wollte, was er mir gleich alles erzählen würde.
»Aber dieser Fall ist irgendwie eigenartig«, fuhr er fort.
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