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Der Preis des Schweigens

Der Preis des Schweigens

Titel: Der Preis des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverley Jones
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hieß? Weil sie eine der Reporterinnen war, die mich am häufigsten in der Pressestelle anriefen, und mir ihr Name daher als Erstes eingefallen war. Ich war nicht davon ausgegangen, dass Gwen sich den Namen merkte, oder meine Baseballkappe, die ich damals während meiner Campingreise durch New England gekauft hatte und auf der ein rotes »B« für Boston Red Sox stand.
    Jetzt war ich froh, dass ich instinktiv in einen stärkeren walisischen Akzent verfallen war, als ich bei meinem Besuch im Wohnwagenpark mit Gwen und Len gesprochen hatte. Wenigstens war es dadurch unwahrscheinlich, dass sie meine Stimme erkannte, wenn ich sie jetzt anrief und so tat, als wären wir uns nie begegnet. Trotzdem betonte ich meine klare, akzentuierte Telefonstimme noch ein wenig mehr als sonst, nur um sicherzugehen.
    Das Gespräch war anstrengend, weil Gwen sich nur schwer auf Kurs halten ließ. Immer wieder schweifte sie vom Thema ab und schwärmte von der guten alten Zeit im Wohnwagenpark oder schimpfte über die teuflischen Immobilienspekulanten. Dass ihr Wohnwagen völlig zerstört war, bereitete ihr großen Kummer, das war mehr als offensichtlich. Schon bei meinem letzten Gespräch mit ihr war ihre Liebe zum Wohnwagenpark deutlich zutage getreten, und jetzt, wo ihr Wohnwagen in Schutt und Asche lag, überhöhte sie ihn, bis er zu einem geradezu mythischen Sehnsuchtsort wurde. Jeder verregnete Sommer, in dem sie sich im Wohnwagen verschanzt hatten, um ihre Pasteten zu essen, wurde im Rückblick herrlich sonnig und warm, und jeder Nachbar im Wohnwagenpark wurde zum guten alten Freund, dem man blind vertraute und dessen Herz so groß war wie die Bay von Swansea.
    Nachdem ich ihr eine Weile zugehört hatte, musste ich wohl oder übel auf den eigentlichen Grund meines Gesprächs zurückkommen und ihr Fragen zu der geheimnisvollen Besucherin stellen.
    »Sie wirkte irgendwie verschlagen «, erklärte Gwen eifrig und rümpfte geräuschvoll die Nase.
    Verschlagen? Wirklich? Das konnte nicht sein! Ich hatte mir solche Mühe gegeben, einen offenen und freundlichen Eindruck zu machen.
    »Sie hat uns geradezu mit Fragen gelöchert, wissen Sie? Wie lange wir den Wohnwagen schon haben, wann Len und ich da sind und wie lange wir jeweils bleiben, ob wir auch noch im hohen Alter herkommen wollen, und so weiter.«
    Wenn ich mich richtig erinnerte, hatte Gwen diese Informationen und viele mehr von ganz allein herausgerückt. Ungläubig lauschte ich, wie Gwen behauptete, die geheimnisvolle Frau hätte auch gefragt, ob Wohnwagen auf dem Gelände zum Verkauf stünden. Das hatte ich ganz sicher nicht getan!
    »Und dann habe ich sie am nächsten Tag gleich wieder gesehen, nur dass sie diesmal schwarze Handschuhe trug und eine große Tasche dabeihatte. Ich fand das mit den Handschuhen irgendwie komisch, weil der Schnee geschmolzen war und es auch nicht mehr so kalt war, und die Tasche war auch eigenartig. Es war kein Rucksack oder eine Handtasche, sondern sah aus wie ein schwarzer Werkzeugkoffer.«
    Jetzt wurde es allmählich bizarr.
    »Sind Sie sicher, dass es dieselbe Frau war, Mrs Nash? Am nächsten Tag?«
    »O ja, ganz sicher«, antwortete Gwen mit Nachdruck. In mir erwachte allmählich der Verdacht, dass dieser Punkt nicht das Einzige war, was sie in ihrer Aussage durcheinandergebracht hatte. Sie log bestimmt nicht absichtlich, sondern hatte es wirklich so in Erinnerung, aber das machte es nicht besser. Vielleicht hatte sie die Tage verwechselt oder jemand ganz anderen mit einem Werkzeugkasten gesehen. Unglaublich, wie kreativ Augenzeugen manchmal mit der Wahrheit umgehen. Wenn man zwei Personen, die denselben Vorfall beobachtet haben, um eine Aussage bittet, erhält man zwei grundverschiedene Schilderungen, obwohl beide Zeugen sicher sind, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit gesagt zu haben. Aber schwarze Handschuhe?
    Zum Glück schien Gwen vergessen oder zumindest unterschlagen zu haben, dass ich explizit nach den Mathrys gefragt hatte. Es hätte zwar auch keinen großen Unterschied gemacht, wenn sie es erwähnt hätte, aber bis ich nicht wusste, was genau passiert war, zog ich es vor, dass sich meine Kollegen von der Polizei und die Presse ganz auf die Nashs konzentrierten.
    »Eigentlich hätte mir das gleich verdächtig vorkommen müssen«, erzählte Gwen weiter. »Was hat denn eine junge Frau in einem alten Wohnwagenpark zu suchen? Sie wollte ihren Namen nicht nennen, das hat man gemerkt. Und sie hat sich die ganze Zeit umgesehen, als würde

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