Der Preis des Schweigens
mehr ganz so rein und unschuldig.«
»Und das Baby?«
»Wieso, es war ja nicht mein Baby. Und ich habe ihr auch nicht gesagt, dass sie sich von einer dreißig Meter hohen Brücke stürzen soll, oder? Wie auch immer, das spielt jetzt keine Rolle. Fakt ist, dass ich mit meiner Geduld am Ende bin. Ich will 500 Pfund von dir und das Versprechen, dass du mir nicht mehr hinterherspionierst, sonst verspreche ich dir, dass es dir noch sehr viel mehr leidtun wird als der armen, armen Suzy.«
»Fick dich!«, zischte ich, ohne nachzudenken. Ich konnte seine Hand keine Sekunde länger auf meinem Körper ertragen und wand mich verzweifelt in alle Richtungen, aber er ließ nicht locker.
»Langsam, Süße, immer mit der Ruhe. Ich hatte bisher eigentlich nicht den Eindruck, dass du auf Gewalt stehst, aber vielleicht habe ich dich schon wieder falsch eingeschätzt. Macht dich das an, wenn man dich so richtig hart rannimmt? Das kann dir dein geliebter Inspector Dan nicht bieten, was? Du bist also eine dieser Frauen, die nur so tun, als würden sie sich wehren. Was sagst du, Jen? Sollen wir diese These mal auf die Probe stellen?«
Er legte seine Hand unsanft auf eine meiner Brüste und küsste mich heftig auf den Mund.
»Na, wirst du schon feucht?«, fragte er höhnisch und zog meinen Hosenbund nach unten. »Nein? Wie enttäuschend.«
In mir erwachte ein wütender Funke, der sich zu einem dunklen, verzehrenden Feuer ausbreitete. Ich vergaß jede Vernunft und jeden Selbsterhaltungstrieb.
»Und was ist, wenn ich zur Polizei gehe?«, drohte ich. »Ich weiß, wer du bist, und ich weiß, was du Suzy angetan hast. Ich habe das Rohypnol aus deinem Wohnwagen und die Filme. Bestimmt melden sich auch noch andere Frauen, die Aufschlussreiches über dich zu berichten haben.«
»Na klar. Und was hast du gegen mich in der Hand? Du solltest doch am besten wissen, wie wichtig handfeste Beweise sind. Du wirst mein Gesicht auf keiner dieser CDs finden. Das von Pootle übrigens auch nicht, dafür habe ich von Anfang an gesorgt. Diese Filme könnten jeden zeigen und überall gedreht worden sein. Und wenn du im Internet suchst, wirst du feststellen, dass auf ›Surfschlampen‹ ein paar Filme weniger zu sehen sind als gestern. Es steht also Aussage gegen Aussage, Schätzchen. Falls du so dumm sein solltest, mich in deine wirren Verdächtigungen zu verwickeln, muss ich deinen reizenden Arbeitskollegen vielleicht mal meine Version der Geschichte erzählen.
O ja, ich sehe sie schon vor mir: Ich bin ein ganz normaler Durchschnittsmann, der schwach geworden ist und einen One-Night-Stand hatte. Und jetzt steigt mir diese Verrückte nach und beobachtet mich, wenn ich surfe, beschädigt meinen VW, belästigt meine Nachbarn, bricht in meinen Wohnwagen ein, woraufhin dieser auf unerklärliche Weise abbrennt. Ich habe wirklich Angst um meine Sicherheit. Apropos: Ich wette, du hast das eine oder andere Gesetz gebrochen, um mich aufzuspüren. Böses Mädchen!
Du solltest eigentlich wissen, wann du verloren hast, aber wenn du trotzdem meinst, zur Polizei gehen zu müssen, denk dran, dass ich dir immer noch mit einem einzigen Mausklick zu deinem großen Auftritt als Pornosternchen verhelfen kann. Deine Journalistenfreunde würden sich doch sicher auch sehr über dein Filmdebüt freuen, meinst du nicht? Jack Thomson von der Nachrichtenagentur NewsBeatWales zum Beispiel. Er wäre bestimmt begeistert. Hat heute so einen schönen, anschaulichen Artikel geschrieben, der Gute. Und vergiss nicht, mein Liebling: Ich weiß, wo du wohnst und wo du arbeitest.«
Nachdem er mich noch eine quälend lange Minute schweigend angestarrt hatte, ließ er mich endlich los. Ich sollte merken, dass er mich nur »freiließ«, weil er es in diesem Moment beschlossen hatte. Er wusste genau, dass ich keine echte Gefahr mehr für ihn war, dass er mich besiegt hatte. »Ich melde mich noch wegen der Einzelheiten für deine nächste Spende«, kündigte er an. Dann gab er mir einen Kuss auf die Stirn, klappte seinen Kragen hoch und verschwand auf die verschneite Straße hinaus.
Ich sah zu, wie er lautlos davonging. Dann schloss ich die Tür auf und schlüpfte hinein. Nachdem ich mich auf die unterste Stufe unserer Treppe hatte sinken lassen, lauschte ich auf mögliche Geräusche von Justin, aber es war nichts zu hören. Zitternd saß ich in der Dunkelheit und versuchte, mir über die Auswirkungen seiner Drohung klar zu werden. Er hatte recht: Alles, was ich getan hatte, ließ sich
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