Der Preis des Schweigens
kam Bodie ins Büro gestürmt und erklärte, dass er Hilfe bei einer Pressemitteilung über eine vermisste Person namens Paul Mathry aus Swansea brauche.
Paul Mathrys Eltern machten sich Sorgen, weil sie seit sechs Monaten nichts von ihrem Sohn gehört hatten. Paul war nicht gerade ein vorbildlicher Sohn. Er hatte zwar keine Vorstrafen, war aber meist arbeitslos und reiste in der Weltgeschichte herum. Außerdem nahm er Drogen und hatte das eine oder andere krumme Ding am Laufen. Seine Eltern waren es gewohnt, dass er sich manchmal monatelang nicht bei ihnen meldete, es sei denn, er brauchte Geld. Aber sein letzter Anruf war im April gewesen, und im Sommer hatten sie einen Anruf von einem Veranstalter für Surfreisen erhalten, bei dem er für August eine Reise gebucht hatte – für sich und einen männlichen Mitreisenden, wie der Reiseveranstalter sagte.
Es handelte sich um eine achtwöchige Tour an die besten Surfstrände Australiens, inklusive Unterkünften und Transfers. Paul hatte zwar die Anzahlung geleistet, aber keine Flüge bestätigt, genauso wenig wie sein Reisebegleiter. Nun forderte der Reiseveranstalter die noch ausstehende Summe von tausend Pfund, und die Mathrys waren erstaunt, dass sich Paul eine solche Luxusreise leisten konnte.
»Jetzt müssen seine armen Eltern die Kohle abdrücken«, seufzte Bodie, als wollte er sagen: Diese jungen Leute von heute, also wirklich! »Wir gehen natürlich wie üblich vor und veröffentlichen einen Suchaufruf, Jen, aber ich würde mich nicht wundern, wenn wir in ein paar Monaten seine stinkende Leiche in irgendeiner Drogenabsteige oder im Straßengraben finden würden.«
»Schon möglich«, antwortete ich.
»Irgendwie ein komischer Zufall«, sagte Bodie nachdenklich. »Den Mathrys hat nämlich auch einer der Wohnwagen unten in Aberthin gehört, die bei dem Brand in Flammen aufgegangen sind. Du erinnerst dich? Es wurmt mich immer noch, dass wir niemanden dafür drangekriegt haben. Allerdings war es natürlich auch keine Hilfe, dass diese dumme Tussi vom Chronicle sich nicht gemeldet und zugegeben hat, dass sie eine Woche vor dem Brand vor Ort war und die Wohnwagenbesitzer ausgefragt hat, um der Baufirma etwas anzuhängen. Wir haben so viel Zeit mit diesem blöden Phantombild verplempert. Zum Glück hat uns der Verwalter des Wohnwagenparks irgendwann angerufen und die Sache aufgeklärt. Wir hätten die Zeitung wegen Behinderung der Ermittlungen verklagen sollen.
Ich verwette meine Polizeimarke darauf, dass einer der anderen Parzellenbesitzer das Feuer gelegt hat. Wie ich gehört habe, ist das Gelände letzten Monat für eine ansehnliche Summe verkauft worden. Die verbleibenden Wohnwageninhaber haben also eindeutig davon profitiert, dass die zwei alten Leute ihren Wohnwagen verloren haben. Wenn das kein Motiv ist, dann weiß ich es auch nicht. Immerhin können die Mathrys mit der Kaufsumme die Reiseschulden für ihren missratenen Sohn bezahlen, aber ein Tausender bleibt ein Tausender.
Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass Paul Mathry nur noch ein Häufchen Asche im Wohnwagen seines Vaters ist, aber die Forensiker haben mir versichert, dass die gefundenen Knochen von einem Hund stammen. Laut Mr Mathry handelt es sich um einen der Spaniels, die die Familie früher hatte. Warum verbuddeln die Leute ihre Hunde im eigenen Vorgarten, das ist doch unhygienisch!«
Er wedelte mit dem Foto herum, dass Mr und Mrs Mathry ihm für die Vermisstenanzeige zur Verfügung gestellt hatten. »Das Foto ist zwar schon älter, aber ganz okay«, urteilte er. »Es war das einzige, das die Mathrys von ihrem Sohn hatten. In dieser Familie gab es wohl nicht besonders viele Kodak-Momente in den letzten Jahren.«
»Kodak-Momente? Was soll das sein?«, fragte Serian, die uns von ihrem Schreibtisch aus zuhörte.
»Neben dir kommt man sich ja vor wie ein alter Mann«, schimpfte Bodie. »Das war vor deiner Zeit. Kodak-Momente sind Bilderbuchmomente, denkwürdige Schnappschüsse, du weißt schon.«
Gut, dass es dunkel war auf meiner Veranda, als du Paul Mathry dabei beobachtet hast, wie er mich befummelt hat, sonst wäre ich jetzt wirklich in Erklärungsnot, dachte ich. Aber nachdem Bodie mir das Foto in die Hand gedrückt hatte, wurde mir klar, dass es keine Rolle gespielt hätte, wenn Bodie sein Gesicht gesehen hätte.
Das Foto zeigte Paul Mathry im Alter von etwa neunzehn Jahren, neben einem blassen, dunkelhaarigen Mädchen, bei dem es sich natürlich um Suzy Milland
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