Der Preis des Schweigens
Jen.« Er lächelte mich dankbar an. »Hat ja keinen Sinn, dass wir uns beide Ärger einhandeln, nicht wahr?«
»Absolut nicht«, stimmte ich zu.
Ein paar Tage später fanden wir heraus, dass die dicke Paula vorerst niemandem mehr Ärger machen würde. Zwei weibliche Verwaltungsangestellte hatten Beschwerde gegen sie eingereicht, weil sie sich seit Jahren von ihr schikaniert und belästigt fühlten. Daraufhin hatten sich noch zwei weitere Opfer ihrer herrischen Art gemeldet. Die dicke Paula war vom Dienst suspendiert worden, bis der Fall in einer internen Untersuchung aufgeklärt worden war.
Aber auch sechs Monate später waren die Beschwerden noch nicht vom Tisch, und so wurde der dicken Paula nahegelegt, sich einen anderen Job zu suchen.
22.
I ch muss wirklich zugeben, dass es eine rundum gelungene Hochzeit wurde. Auch wenn ich das niemals für möglich gehalten hätte, genoss ich sie in vollen Zügen. Wenn ich der Typ Frau gewesen wäre, der von der eigenen Hochzeit träumt, hätte ich gesagt, dass der Tag genau so war, wie ich ihn mir immer erträumt hatte. Auch Dan war begeistert.
Ich war heilfroh, dass wir uns im letzten Moment auf eine kleine, bescheidene Feier mit nur fünfunddreißig Gästen geeinigt hatten, die wie geplant in einem Hotel in dem malerischen Marktflecken Cowbridge stattfand. Allerdings hatten wir den ursprünglich gebuchten großen Wintergarten des Hotels gegen einen kleinen, weniger förmlichen Ballsaal eingetauscht. Dadurch, dass ich die Anzahlungen so lange hinausgezögert hatte, ließen sich die Buchungen noch problemlos ändern.
Ein paar Wochen vor dem großen Tag hatte ich in einem Kaufhaus doch noch mein Traumkleid gefunden, ein blaues Seidenkleid im Stil der Dreißigerjahre. Außerdem hatte ich unsere Bestellung bei Blooming Marvellous storniert und stattdessen zwei Sträuße cremefarbener Rosen bei dem Blumenladen gleich neben dem Hotel geordert, einen für mich und einen für Beck, die meine inoffizielle »Brautjungfer« war. Auch Izzy durfte sich ein kleines Sträußchen an ihr Kleid heften. Beck hatte sich ein paar Wochen vor der Hochzeit von Stephen getrennt, weshalb sie ohne männliche Begleitung kam, ein Umstand, über den sie nicht enttäuscht, sondern erleichtert zu sein schien.
Claire, unsere Standesbeamtin, hielt Wort und gestaltete die Trauungszeremonie zügig und schlicht. Trotzdem war ich bewegter, als ich es jemals für möglich gehalten hätte. Meine Mutter tupfte sich den ganzen Tag lang Tränen der Rührung aus den Augenwinkeln und behielt tapfer ihre neuen hochhackigen Schuhe an. Da Dan keine Familienmitglieder mehr hatte, sprang mein Vater als inoffizieller Trauzeuge ein. Bodie und Doyle komplettierten schick gekleidet seine Gästeliste, genau wie Inspector Karen Smart mitsamt Lebensgefährtin und zwei Sergeants aus seiner Einheit.
Ich lächelte, bis mir die Mundwinkel wehtaten. Auch Dan strahlte von Anfang bis Ende – ein breites, zufriedenes Lächeln, das mir im Herzen wehtat, aber auf eine schöne Art.
Alle lobten das warme Mittagsbuffet und die entspannte Atmosphäre. Da es kaum Programmpunkte gab, fanden Dan und ich reichlich Zeit, mit unseren Gästen zu plaudern und anzustoßen.
Als sich die meisten nach dem Mittagessen und Kaffeetrinken in die Bar oder auf ihre Zimmer zurückzogen, bevor die Feier am Abend in etwas größerem Rahmen weiterging, vergewisserte ich mich, dass Dan beschäftigt war und sich in angeregter und feuchtfröhlicher Atmosphäre mit meinem Vater unterhielt, bevor ich aus der Hintertür des Hotels schlüpfte.
Am Ende der sonnigen Grünfläche hinter dem Gebäude stand ein Mann unter einer Eiche, der im tiefen Schatten des mächtigen Baumes kaum auszumachen war. Sein Anzug war dunkel und adrett, genau wie seine Haare. Er sah aus wie ein Hochzeitsgast, aber das war er nicht. Nicht ganz.
Bis heute ist mir das Gespräch mit diesem Mann noch genau in Erinnerung, der Moment, in dem wir uns im Schatten der Eiche begrüßen.
»Hallo, Jennifer«, sagt er. »Ich bin Vitali. Sophia lässt die besten Grüße ausrichten.« Er gibt mir zur Begrüßung die Hand, eine erstaunlich elegante Hand mit langen Fingern. Wir treten hinter den breiten Stamm der Eiche, damit uns niemand beobachten kann.
»Das telefonische Missverständnis tut ihr sehr leid«, fügt Vitali hinzu. »Sie entschuldigt sich nochmals für die dadurch entstandenen Unannehmlichkeiten. Das Ganze ist ihr äußerst peinlich.«
»Keine Ursache«, antworte ich. »Sie hat
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