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Der Preis des Schweigens

Der Preis des Schweigens

Titel: Der Preis des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverley Jones
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Gedanken bereits den Fahndungsaufruf formulierte.
    In unserem Büro herrschte das reinste Chaos. Um die Montage der neuen Schränke zu erleichtern, waren sämtliche Stühle und Kartons in Nigels Bereich geschoben worden, aber die Handwerker machten gerade Mittagspause bei Gregg’s und hatten die noch nicht montierten Schränke in Einzelteilen zurückgelassen. Mitten in diesem Durcheinander stand Nigel und sprach verzweifelt in sein Handy. Zwei schmale Holzregale mit unterteilten Fächern für Dokumente standen in der Ecke herum – die groß angekündigten neuen »Aufbewahrungslösungen«.
    Alle Telefone klingelten gleichzeitig.
    Nachdem ich den Hörer auf dem nächsten Schreibtisch abgenommen und mich mit einem Anruf von Jack NewsBeatWales wegen eines Überfalls auf ein Postamt in Grangetown herumgeschlagen hatte, öffnete ich meinen E-Mail-Account, um nachzusehen, ob Jim schon die Standbilder aus der Überwachungskamera geschickt hatte. Als ich meinen Posteingang anklickte, wartete dort prompt eine neu eingetroffene E-Mail mit Anhang, in deren Betreffzeile stand: »Aufnahmen, die dich interessieren könnten«. Die Datenmenge war so groß, dass sie mein Postfach völlig verstopfte. Ich seufzte verärgert. Dank unseres veralteten IT-Systems kam das nicht zum ersten Mal vor.
    Nigel beendete sein Telefonat mit der Leitstelle, die ihn über eine Massenkarambolage auf der M4 in Kenntnis gesetzt hatte – das erklärte die klingelnden Telefone. Ich speicherte den E-Mail-Anhang ungeöffnet in meinem Dateiordner für Videos. Erst um vier Uhr nachmittags, nachdem ich die Pressemeldung über die Massenkarambolage verfasst, eine Pressestrategie bezüglich eines Falles von versuchtem Mord entworfen und einige Fotos von Personen veröffentlicht hatte, gegen die einstweilige Verfügungen ergangen waren, fiel mir die Videodatei wieder ein, von der ich glaubte, dass Doyle und Bodie sie mir für den Fahndungsaufruf geschickt hatten.
    Während der ersten paar Sekunden hielt ich die Aufnahmen für einen Streich, den mir die beiden spielen wollten. Auf dem Video war ein Pärchen beim Sex zu sehen, Genitalien und Gesichter waren unkenntlich gemacht worden. Ich runzelte angewidert die Stirn und überlegte, wie es diese Spam-Mail durch die Firewall geschafft haben mochte. Der Sicherheitsfilter unseres Systems war unberechenbar, aber alles, bei dem nacktes Fleisch zu sehen war, wurde normalerweise mit der Warnung »unangemessener Inhalt« versehen, sogar Fotos von Jugendlichen in Fußballtrikots, die den Scheck eines Sponsors hochhielten.
    Dennoch war auf meinem Monitor ein kopulierendes Pärchen zu sehen – nackt und bildschirmfüllend.
    Ich erwartete irgendeine alberne Nachricht in der Begleitmail, eine witzige Pointe. Bestimmt steckten Bodie oder Doyle gleich grinsend den Kopf zur Tür herein. Diesmal sind sie eindeutig zu weit gegangen , dachte ich.
    Und dann dachte ich: Die Frau auf dem Video hat an der gleichen Stelle ein Muttermal wie ich. Was für ein Zufall.
    Ich sah mir die schulterlangen dunkelblonden Haare der Frau genauer an, die bunten Holzperlen an ihrem Handgelenk, und merkte, wie mir vor Scham das Blut in den Kopf schoss.
    Hastig klickte ich auf »Bildschirm verkleinern«. Da die Computer der Pressestelle grundsätzlich auf lautlos gestellt sind, war kein Ton zu hören, und mein Schreibtisch war durch die neuen Schränke nicht direkt einsehbar. Im Büro war außer mir nur Nige, der am entgegengesetzten Ende des Zimmers in ein Telefonat mit Anne Nolan vom Chronicle vertieft war. »Finden Sie nicht, dass diese Formulierung äußerst irreführend ist, Anne?«, beschwerte er sich höflich. Unterdessen saß ich etwa fünfzehn Sekunden lang wie betäubt da, mit glühenden Wangen und einem flauen Gefühl in der Magengrube, das sich allmählich auch in meiner Brust einnistete. Irgendwann fiel mir auf, dass Nige besorgt in meine Richtung starrte.
    »Alles okay?«, flüsterte er, während er sich das Handy ans Ohr klemmte und gleichzeitig etwas auf seiner Tastatur tippte.
    Ich nickte. Dann schluckte ich verzweifelt, weil mir der Tee und der Vollkornriegel wieder hochkamen, die ich vor ein paar Minuten zu mir genommen hatte. Erneut klickte ich das Video an, und dieses Mal erkannte ich nicht nur mich selbst auf dem Bildschirm, sondern auch das Ferienhaus . Das Ferienhaus, in dem ich eine Nacht mit Justin verbracht hatte.
    Justin! Der Mann auf dem Video musste Justin sein! Die Haare sahen genauso aus, und ich erkannte auch die

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