Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Preis des Schweigens

Der Preis des Schweigens

Titel: Der Preis des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverley Jones
Vom Netzwerk:
(das ist reine Faulheit, Jen), aber diese skurrile Blasphemie erschien ihr offenbar akzeptabel.
    Mir gefiel dieses Bild, gerade weil es so bizarr war. In meiner Vorstellung saß Jesus auf einem Bonanza-Rad aus den Siebzigerjahren und trat mit seinen Sandalen mühsam in die Pedale, während sich sein weißes Gewand hinter ihm im Wind bauschte. Meine derzeitige Situation war im Grunde genauso bizarr. Ich stand in einem Zug nach Swansea und war dabei, einen Umschlag mit erpresstem Geld in ein Gebüsch zu werfen. Als wir in den Bahnhof einfuhren, der nur aus einem kleinen, unbemannten Haltestellenhäuschen bestand, suchte ich mit Argusaugen den Bahnsteig ab, aber es stieg nur ein junges Pärchen aus, das sich sofort die Kapuzen überzog und sich dicht aneinandergeschmiegt gegen den Graupelschauer stemmte. Ein Auto wartete auf die beiden, dessen Scheinwerfer den Parkplatz beleuchteten. Ich konnte weder im Haltestellenhäuschen noch in einem der anderen geparkten Autos jemanden entdecken. Wo hatte sich Justin versteckt, um den Zug zu beobachten?
    Der Moment war gekommen. Während ich den kleinen gepolsterten Umschlag aus dem Fenster warf, überlegte ich, dass Justin sich jetzt vermutlich ins Fäustchen lachte, wo auch immer er gerade steckte. Das Ganze war ein Spiel für ihn, und er hatte es wirklich clever eingefädelt.
    Er hatte mir gar nicht erst die Gelegenheit gegeben, ihn zu konfrontieren. Da uns niemand zusammen im Zug gesehen hatte, konnte ich ihn hinterher auch nicht mit dem Geld in Verbindung bringen. An dem verlassenen Provinzbahnhof, den er ausgewählt hatte, konnte er völlig unbeobachtet den Umschlag an sich nehmen, zumal es hier offenbar keine Überwachungskameras gab. Zeit hatte er dafür genug, denn ich würde es niemals schnell genug vom nächsten Bahnhof zurück schaffen. Selbst wenn ich im Voraus jemanden informiert hätte, der mich im Zug begleitete – Dan oder ein anderer Kollege von der Polizei –, wäre derjenige vermutlich nicht rechtzeitig aus dem Zug zu der betreffenden Stelle gelangt, nicht im Dunkeln.
    Durchnässt und durchgefroren kam ich eine Stunde später wieder zu Hause an, nachdem mein Zug auf dem Rückweg mit Verspätung in Cardiff Central Station eingetroffen war. Das Haus war still und leer, und ich ging lange vor Dans Rückkehr von der Spätschicht ins Bett. Das war auch gut so, denn ich wollte ihn nicht ansehen müssen oder seine Blicke auf meinem Gesicht spüren.
    Zum Glück hatte ich es hinter mir. Das redete ich mir zumindest ein, während ich mich unter dem Federbett zusammenrollte und versuchte, meine kalten Füße und Hände aufzuwärmen. Es war vorbei.
    Am nächsten Tag begegnete ich Bodie, der nach einem Tag Urlaub wieder zur Arbeit erschienen war, beim morgendlichen Meeting. Während wir die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden durchsprachen und die Aufgaben für den heutigen Tag verteilten, war er wieder ganz der übliche Sprücheklopfer. Sämtliche Kollegen redeten immer noch von der Weihnachtsfeier am Mittwoch und dem Ausmaß ihres Katers. Offenbar hatte es sich bereits auf der ganzen Wache herumgesprochen, dass Serian die Nacht mit ihrem Detective Constable verbracht hatte. Mir hatte sie natürlich persönlich in allen Einzelheiten davon erzählt, aber ich hatte eisern den Mund gehalten, was ich mir offenbar hätte sparen können. Bis auf den armen Rees, der in der Poststelle im Erdgeschoss nichts von den Gerüchten mitbekam, wussten alle Bescheid.
    »Tut mir leid, wenn ich mich am Mittwoch danebenbenommen habe«, sagte Bodie kleinlaut, als wir nach Beendigung des Meetings nebeneinander den Raum verließen. »Ich war einfach gut drauf und hatte keinerlei Hintergedanken. Du bist doch nicht sauer, oder? Hast du Dan davon erzählt? Er ist so ein netter Kerl, und ich will nicht, dass er einen falschen Eindruck von mir bekommt. Und ich würde es auch sehr bedauern, wenn zwischen dir und mir in Zukunft schlechte Stimmung herrschen würde.«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon du sprichst, Marc«, sagte ich augenzwinkernd. »Am Mittwoch war ich furchtbar betrunken und kann mich an nichts erinnern.« Ich tätschelte beruhigend seinen beeindruckenden Bizeps, woraufhin er mich dankbar anstrahlte und sanft meinen Arm drückte.
    An diesem Nachmittag eilten Dan und ich zu unserem Termin im Standesamt, das in einem Seitenflügel des ehemaligen Rathauses untergebracht war. Das viktorianische Gebäude bestand aus schlichtem grauem Sandstein und hatte hohe, schmale

Weitere Kostenlose Bücher