Der Preis des Schweigens
Fenster. Eingeschüchtert von der förmlichen Atmosphäre stapften wir nebeneinander die Treppe hinauf. Sogar Dan wirkte beeindruckt von den Porträts der Stadtältesten im Empfangsbereich, die uns aus goldenen Rahmen streng anstarrten und Demut vor diesem mächtigen Gebäude einzufordern schienen.
Wir waren hier, um unsere Heiratsabsicht eintragen zu lassen. Mit diesem Schritt wurde es offiziell, das schien uns beiden bewusst zu sein. Nervös warteten wir darauf, dass die große Mahagonitür aufging und wir in das Allerheiligste vorgelassen wurden, um unser Anliegen vorzubringen.
Dan saß eingezwängt in seine Uniform da, zupfte in der stickigen Luft immer wieder an seiner Krawatte und gähnte hinter seiner vorgehaltenen Hand. Winzige Schweißperlen begannen sich an seinem Haaransatz und auf seiner Oberlippe zu bilden. Er sah aus wie der typische zur Hochzeit gezwungene Bräutigam, dabei war ich diejenige, die am liebsten die Flucht ergriffen hätte und hinaus auf die Straße gerannt wäre.
»Was müssen wir hier eigentlich genau erledigen?«, fragte mich Dan zum dritten Mal in den letzten vierundzwanzig Stunden.
»Nur unsere Heiratsabsicht erklären und Ort und Datum der Hochzeit angeben. Das habe ich dir doch schon erklärt. Nachdem wir alle Fragen beantwortet haben, wird unser Aufgebot veröffentlicht.«
»Aha. Man muss also wie in alten Zeiten offiziell ein Aufgebot bestellen?«
»Ja, aber das heißt nicht, dass jemand mit einer Glocke durch die Straßen läuft und unsere Hochzeit verkündet oder so was. Das Aufgebot wird nur irgendwo an ein Anschlagbrett gehängt, wo es jeder sehen kann. Guck, da drüben.« Ich zeigte auf die gegenüberliegende Wand, wo hinter einer Glasscheibe mehrere kleine Computerausdrucke hingen. »Chantelle Williams wird am 24. Juli 2010 die Ehe eingehen mit Shawn Jones, bla, bla, bla. Dann folgen die Geburtsdaten und so weiter. Du weißt doch mein Geburtsdatum, oder, Dan?«
»Natürlich.«
»Und dass ich im Landeskrankenhaus in Pontypridd geboren wurde?«
»Weiß ich auch.«
»Und dass der Mädchenname meiner Mutter Jenkins ist.«
»Genau. Meinst du, die stellen uns wirklich alle diese Fragen? Ich dachte, wir füllen einfach nur ein Formular aus.«
»Das auch, aber soviel ich weiß, geht man einzeln rein und wird zum jeweils anderen befragt. Ich glaube, damit sollen Scheinehen verhindert werden. Andererseits ist es ja wohl keine Zauberei, sich ein bisschen vorzubereiten, wenn man beispielsweise nur wegen des Aufenthaltsrechts heiraten will. Die Namen der Eltern brauchen sie, glaube ich, für die Heiratsurkunde und das Zivilstandsregister. Deine Eltern hießen Alice und John Collins, stimmt’s?«
»Ja.«
»Und der Mädchenname deiner Mutter war Lancaster?«
»Nein. Selford.«
»Was? Aber du hast doch Lancaster gesagt!«
»Hab ich das? Wann?«
»Als ich dich danach gefragt habe.«
»Da habe ich wohl was durcheinandergebracht. Meine Mutter hieß Selford.« Er klang unsicher.
»Also ist das der Name, der in deiner Geburtsurkunde steht? Ich dachte, du wolltest noch einmal nachschauen.«
»Ja, aber ich konnte meine Urkunde nicht finden.«
»Ich hab dir aber gesagt, dass wir die Informationen brauchen. Wie kannst du vergessen haben, wie deine Mutter mit Mädchennamen hieß? Wir dürfen diesen Termin heute auf keinen Fall vermasseln. Die Bestellung des Aufgebots ist gesetzlich vorgeschrieben, das habe ich dir letztes Wochenende ausführlich erklärt. Du musst dir sicher sein, wie deine Eltern hießen.«
»Bin ich mir ja auch.«
»Also gut. Deinen Pass hast du hoffentlich dabei?«
»Hab ich doch schon im Auto gesagt. Ich bin kein Vollidiot, Jen.«
»Okay, ich wollte ja nur noch einmal nachfragen. Es wäre nämlich sehr ärgerlich, wenn ich versuchen müsste, einen neuen Termin zu bekommen, nur weil wir heute ein wichtiges Dokument nicht dabeihaben. Nachdem du schon den letzten Termin verschlafen hast, hat es einen Monat gedauert, bis ich einen neuen Termin ergattern konnte, der nicht mit deinen Schichten kollidiert.«
»Dafür habe ich mich doch schon entschuldigt. Außerdem habe ich ihn nicht verschlafen, sondern musste auf der Wache ausharren, weil der Unterhändler für die Waffenlieferung zu spät kam und ich nicht wegkonnte. Aber das wird schon klappen heute. Reine Routine. Wir füllen die nötigen Formulare aus, und das war’s dann. Kein großes Problem.« Er gähnte wieder.
»Du hast recht«, sagte ich nach kurzem Zögern. »Hoffen wir, dass es schnell geht
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