Der Preis des Schweigens
ein sauberes gefaltetes Handtuch. Im Badezimmer machte ich neben der erwarteten Zahnbürste, dem Rasierer, der Seife und einer Flasche Shampoo eine interessante Entdeckung: ein paar ältere Döschen Prozac – eindeutig rezeptpflichtig – und daneben Valium, Temazepam und Ibuprofen, die Grundausstattung eines Medikamentensüchtigen.
Daneben lagen zwölf ungeöffnete abgepackte Kondome. Aber ich hoffte auf einen weit interessanteren Fund. Ich war mir sicher, in der Sitzecke des Wohnwagens Marihuana gerochen zu haben, auch im Badezimmer lag ein Hauch davon in der Luft. Dass Justin illegale Drogen nicht offen im Badezimmerschränkchen aufbewahrte, war klar. Wo war also sein Versteck? Ich konnte schlecht im Dunkeln den ganzen Wohnwagen durchwühlen oder Sitzpolster und Wandverkleidungen herausreißen, wie es die Spurensicherung in Fernsehserien immer tat. Dennoch war ich überzeugt, dass es irgendwo noch etwas zu entdecken gab.
Wenn ich Justin gewesen wäre, wo hätte ich dann meinen Drogenvorrat versteckt? Nicht im Spülkasten oder in der Teedose, das war zu offensichtlich. Andererseits rechnete er vermutlich überhaupt nicht mit einer Polizeidurchsuchung, warum auch? Es ging also eher darum, dass Zeug nicht offen herumliegen zu lassen, damit ein möglicher Einbrecher nicht auf dumme Gedanken kam.
Mir fiel ein, dass ich im Küchenschrank bei den Pflastern und Bandagen eine alte Tamponschachtel gesehen hatte. Warum hätte Justin Tampons vorrätig haben sollen? Und tatsächlich fand ich in der Schachtel eine kleine Plastiktüte mit Gras, eine weitere Tüte mit weißem Pulver, das vermutlich Heroin war, und ein paar mit Frischhaltefolie umwickelte Ecstasypillen. Auch einige weiße und blaue Pillen ohne Markierung befanden sich darunter. Jetzt bereute ich es, dass ich bei den Drogeninformationsveranstaltungen, die wir an Schulen und beim Tag der offenen Tür in der Wache durchführten, nicht besser aufgepasst hatte.
Bei einer kleinen Schachtel mit unmarkierten roten Pillen wusste ich hingegen sofort, um was es sich handelte. Über diese Droge gaben wir seit fünf Jahren jedes Jahr eine Warnung heraus, im Rahmen unserer weihnachtlichen »Kenne deine Grenzen«-Kampagne gegen Alkoholmissbrauch. Die Warnung lautete: »Lassen Sie niemals Ihr Getränk aus den Augen!« In der Schachtel waren nur noch zwei Hefte mit Pillen.
Rohypnol.
Als mir bewusst wurde, was dieser Fund bedeutete, erstarrte ich vor Schreck. Ich zog eins der silbernen Pillenheftchen heraus. Sechs Tabletten fehlten.
Während ich fieberhaft nachdachte, lehnte ich mich an den kleinen Tisch der Sitzecke, der unter meinem Gewicht ins Wackeln geriet. Ein halbes Dutzend Zeitschriften glitt zu Boden, und ich bückte mich schnell, um die Hefte wieder aufzuheben und sie genau so auf dem Tisch zu drapieren wie vorher. Nichts sollte meine Anwesenheit im Wohnwagen verraten.
Beim Aufsammeln fiel mir auf, dass es Reisezeitschriften waren – zwei oder drei Hochglanz-Surfmagazine und ein paar Reiseprospekte über Großbritannien. In der Mitte des Stapels entdeckte ich schließlich die aktuelle und zwei vorherige Ausgaben des Cool Cymru -Hotelführers. Zwischen den Seiten waren ein paar lose Zettel hervorgerutscht, auf denen zumeist harmlose, zusammenhanglose Notizen standen wie »Milch kaufen«. Aber es waren auch verschiedene Termine notiert sowie Albumtitel, Telefonnummern, Hotelnamen und Reiseinformationen wie Gezeitentabellen und Website-Adressen.
Ich blätterte die aktuelle Ausgabe des Cool Cymru -Führers durch. Einige Seiten waren umgeknickt, darunter auch die des Watch-House. Jemand hatte die Hotelbeschreibung mit einem Stift umkreist. Die anderen beiden markierten Hotels befanden sich im nördlichen Wales.
Aus einem Gefühl heraus überflog ich auch den Hotelführer Die 100 schönsten Hotels Großbritanniens . Er war schon ein paar Jahre alt, und es waren sechs Seiten umgeknickt. Auf vier davon wurden Hotels im Süden Englands beschrieben, auf einer ein Hotel in Northumberland und auf einer eine Unterkunft in Norfolk.
Ich ging noch einmal die Notizzettel durch: Hotelnamen, Albumtitel, Frauennamen, Telefonnummern, E-Mail-Adressen.
Während ich über diese Flut von neuen Informationen nachdachte und förmlich spürte, wie die Neuronen in meinem Kopf Verbindungen bildeten, um sie zu einem logischen Muster zu ordnen, hörte ich draußen das leise Holpern eines näher kommenden Fahrzeugs.
Ein paar Sekunden später erhellten Scheinwerfer die Vorhänge vor der
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