Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Preis des Schweigens

Der Preis des Schweigens

Titel: Der Preis des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverley Jones
Vom Netzwerk:
Eingangstür. Jemand fuhr genau auf den Wohnwagen zu.

14.
    B eim Anblick der Scheinwerfer blieb ich stocksteif stehen, und meine linke Hand krampfte sich um die Notizzettel. Ich sah mich selbst plötzlich von außen, ein unbewegliches Standbild, auf frischer Tat ertappt.
    Aber dann schoss überraschend ein Fluchtreflex durch meinen Körper. Ich bewegte mich, ohne nachzudenken, schnell und ruhig. In rasendem Tempo schob ich die Zeitschriften zusammen und arrangierte sie wieder auf dem Tisch, stellte die Tamponschachtel in den Küchenschrank und schloss ihn leise. Dann knipste ich die Taschenlampe aus und steckte sie in die Tasche meiner Fleecejacke, während ich mich fieberhaft nach einem Fluchtweg umsah.
    Die Scheinwerfer hielten vor dem Wohnwagen und gingen dann aus, aber der Motor lief weiter. Vorsichtig schlich ich zum Vorhang und spähte hindurch, um zu sehen, ob ich wirklich so tief in der Patsche steckte wie befürchtet.
    Ein junger Mann mit widerspenstigem, sonnengebleichtem Haar saß auf dem Fahrersitz eines alten militärgrünen LandRovers mit Planenverdeck. Der Mann zündete sich gerade eine Zigarette an und suchte offenbar etwas im Fußraum seines Wagens.
    Es war nicht Justin.
    Wer auch immer es war, er wollte offensichtlich zum Wohnwagen der Mathrys. Jede Minute konnte der Mann den stotternden Motor ausschalten und aussteigen. Der Wohnwagen hatte nur eine Tür, aber es war zu spät, um durch sie das Weite zu suchen. Sobald der Mann aus dem Landrover stieg, hatte er die Tür direkt vor der Nase, ich konnte mich also nicht heimlich davonstehlen. Jetzt schaltete er den Motor aus und warf sich einen abgewetzten Seesack über die Schulter.
    All dies registrierte ich innerhalb von Sekundenbruchteilen, und genauso schnell ging mir auf, dass mir nur ein Ausweg blieb. Ich musste mich neben dem Seitenfenster, das ich nach dem Einstieg zwar zugezogen, aber nicht verriegelt hatte, bereithalten und warten. Momentan war es vom Landrover aus noch einsehbar, aber wenn ich wartete, bis der Mann die Wohnwagentür erreicht hatte, war ich für ihn nicht mehr zu sehen. Sobald er den Schlüssel ins Schloss steckte, musste ich das Fenster anheben, hinausklettern und mich auf den Boden fallen lassen. Wenn ich Glück hatte, würde das Geräusch der sich öffnenden Tür den Lärm, den ich dabei machte, übertönen. Der Wohnwagen war dunkel, und die Tür befand sich in einer Nische hinter der Küchenzeile. Vielleicht reichte das aus, um mir die Flucht zu ermöglichen.
    Der Mann würde mindestens ein paar Sekunden brauchen, bis ihm auffiel, dass etwas nicht stimmte, und bis dahin war ich längst um den Wohnwagen herumgerannt und auf dem Weg zur nur zwanzig Meter entfernten Landstraße, die hinter der Hecke begann. Dort konnte er mich nicht mehr sehen.
    Während ich sprungbereit auf der gepolsterten Sitzbank kauerte, legte ich eine Hand ans Fenster, bereit, es aufzustoßen. Jedes Geräusch, das ich machte, jeder laute Atemzug musste in einem äußerst kurzen Zeitfenster stattfinden, ich musste genau den richtigen Augenblick wählen, um loszuschnellen.
    Plötzlich klingelte das Handy des Mannes.
    »Was denn?«, meldete er sich ungeduldig, und seine Stimme kam immer noch irgendwo aus der Nähe des Landrovers. »Ich bin zufällig gerade hier«, sagte er, woraufhin eine Pause entstand. »Ich hab doch schon gesagt, dass ich das erledige.« Wieder eine Pause.
    Jetzt näherte sich seine Stimme dem Wohnwagen. »Ja, natürlich weiß ich das … Ach was, ich bin hier doch am Arsch der Welt, hier ist weit und breit kein Mensch.« Erneute Pause.
    Seine Stimme klang jetzt noch näher, war aber noch nicht ganz bei der Tür angekommen. »Du wiederholst dich, Alter. Nimm verdammt noch mal endlich ein Valium und entspann dich.« Schweigen. »Nein, natürlich nicht, glaubst du, ich bin bescheuert? Ja, ja … Ich weiß es doch, verdammt noch mal!«
    Ich hörte, wie er das Gespräch beendete, einen Seufzer ausstieß und leise das Wort »Arschloch« murmelte, bevor er den Seesack wieder auf die Schulter hievte und sich der Tür näherte. Dort blieb er stehen und schien nach seinem Schlüssel zu kramen, denn ich vernahm ein Klimpern. Dann wurde der Schlüssel ins Schloss gesteckt, es klickte.
    Mein Timing war perfekt. Genau als die Tür aufging, schob ich das Fenster nach außen, und als der Mann den ersten Schritt nach drinnen machte, schlüpfte ich hinaus. Als ich schon fast durch die Öffnung war, blieb mein Hosenbein an einem losen Stück

Weitere Kostenlose Bücher