Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
konnte.
Anna sah ihr hinterher, wie sie den Weg zum Haus hinauflief. Die Bikerboots wirkten riesig an ihren langen, schlanken Beinen, Owens Lederjacke hatte sie über die Schulter geworfen. Schon jetzt sah sie wie ein komplett anderer Mensch aus.
Das ist das Ende ihrer Kindheit, dachte Anna und beobachtete, wie die Schnallen an Beccas Stiefeln in der kühlen Herbstsonne aufblitzten. Das ist der Anfang vom Ende von Phils Vaterrolle; und ich werde Stiefoma, bevor ich überhaupt die Chance bekomme, selbst Mutter zu werden. Jetzt wird Phil es keinesfalls mehr zulassen, dass wir versuchen, ein Baby zu bekommen.
Sie schloss die Augen, um die stechende Verbitterung abzuwehren, die ihr Herz beinahe aufhören ließ zu schlagen. Es war so unfair, dass sie nicht einmal die ganze Ungerechtigkeit im Ganzen betrachten konnte, sondern immer nur das Herzstück sah, das winzige Baby in Beccas und Owens Armen.
Genauso schnell, wie Becca aus dem Auto ausgestiegen war, stieß Anna ihre Fahrertür auf und folgte ihr den Weg hinauf.
Sie kam just in dem Augenblick, als Becca »… schwanger« sagte.
Zuerst starrte Phil seine Tochter verwirrt an, bevor sich Entsetzen in seiner Miene breitmachte. Nachdem sich Becca schluchzend an seine Brust geworfen und ihre Arme wie ein Kleinkind um ihn geschlungen hatte, kamen auch ihm die Tränen, und er musste sein Kinn so hoch recken, wie er konnte, damit sie nicht hörte, wie er schlucken musste.
»Becca«, sagte er immer wieder. »Mein kleines Mädchen. Mein kleines Mädchen.«
»Sei nicht böse«, schluchzte Becca. »Bitte sei mir nicht böse.«
»Ich bin nicht böse. Warum sollte ich dir böse sein?«
Anna blieb zögerlich in der Tür stehen; wollte er lieber mit Becca allein sein? Doch sein Blick ließ sie wissen, dass sie hereinkommen sollte. Anna konnte es nur schwerlich ertragen, Phil weinen zu sehen. So hatte sie ihn noch nie erlebt.
Langsam ging sie zu den beiden hinüber und legte ihre Arme auch um Becca, um ihr all den Trost zu spenden, den sie geben konnte. Phil schien für diese Umarmung ebenso dankbar zu sein wie Becca.
Michelle beobachtete, wie Owen in ihrer Küche saß und sein Abendessen in sich hineinschaufelte, als habe er eine Woche lang nichts zu essen bekommen. Dabei fragte sie sich insgeheim, seit wann er so … geschniegelt aussah.
»Owen, warst du beim Frisör?«, erkundigte sie sich neugierig.
»Ja. Ich war im Fitnessstudio wegen der Websupport-Stelle, und Becca meinte danach, es sei Zeit für einen Haarschnitt.« Er ließ die Gabel sinken und sah sie betreten an. »Rory hielt es auch für eine gute Idee, deswegen …«
» Rory hielt es für eine gute Idee?«
»Yep. Ich entwerfe und programmiere den neuen Internetauftritt von Flint & Cook. Dafür musste ich mich mit dem Oberboss treffen, und Rory meinte, er habe etwas gegen langhaarige Typen.« Owen fuhr sich durch das zwar kürzere, aber immer noch wuschelige Haar. »Ich kann es ja jederzeit wieder wachsen lassen. Außerdem mag Becca es so. Und der Anzug gefällt ihr auch.«
Michelle wunderte sich, wie ihr all das hatte entgehen können. Welcher Anzug? Seit wann half Rory Owen dabei, Aufträge zu finden? Und seit wann war Owen so motiviert, neue Kontakte aufzubauen, ohne dass sie immer wieder von oben herab hatte nörgeln müssen?
Vielleicht hatten sie alle mit ihrer Vermutung danebengelegen, Owen könne einen schlechten Einfluss auf Becca haben. Offenbar schien sie einen weitaus größeren Einfluss auf ihn zu haben. Fehlte nur noch, dass er als Nächstes anfing, Bücher zu lesen.
»Wann hat Rory das denn für dich eingefädelt?«, fragte sie und bemühte sich, nicht allzu neugierig zu klingen.
»Ich habe ihn im Buchladen getroffen. Er ist oft zum Stöbern dort und erklärt Anna dann, wie sie ihre Auslagen interessanter gestalten kann.« Owen sah sie frech an. »Und gibt Kommentare ab, was du Tarvish alles fütterst.«
»Wie bitte?«, wollte Michelle gerade aus der Haut fahren, doch just in diesem Augenblick piepte sein Handy, das neben dem Teller lag, und sofort schwenkte sein Blick zu dem Gerät hinüber.
»Entschuldigung, darf ich kurz nachsehen?«, fragte er und griff bereits nach dem Handy. Seine Mundwinkel hoben sich unwillkürlich zu einem Lächeln, und Michelle wusste sogleich, dass die Nachricht von Becca stammte, als Owen sich mit geübtem Daumendruck die Nachricht anzeigen ließ.
»Jetzt sag nicht, dass du heute bei ihr offiziell zum Abendessen eingeladen bist?« Michelle hatte Mühe, nicht
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