Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
habe?«
»Dabei ging es doch immer nur um das Geld für die Miete! Hier reden wir aber von einem menschlichen Leben! Nicht zu fassen, dass du mir so etwas zutraust!«
Michelle wischte seine Einwände beiseite. »Für Männer ist es nicht dasselbe. Du kannst dir nicht einmal vorstellen, welch verquere Gedanken sie haben wird – oh nein, nicht nur, ›Ich habe meine Familie enttäuscht‹ oder ›Jetzt habe ich mein Leben versaut, und die anderen werden sich alle das Maul über mich zerreißen‹. Das alles ist schon schlimm genug. Sie wird aber auch denken, ›Wie habe ich es so weit kommen lassen können?‹, ›Was für eine Frau macht das aus mir, wenn ich mich dafür entscheide, das Baby nicht zu bekommen?‹. Alle werden mit Ratschlägen und Lösungen auf sie einreden, ob sie das will oder nicht, und ihr vorschreiben, was sie denken soll. Als sei sie plötzlich ein anderer Mensch. Deine Aufgabe ist es – und das ist das Allerwichtigste, was du tun kannst –, ihr das Gefühl zu geben, das sie immer noch sie selbst ist. Immer noch sie selbst.«
Sie holte tief Luft, als ihr ein schrecklicher Gedanke kam. Die SMS war recht kurz und schonungslos gewesen. »Owen, das ist jetzt aber nicht der Moment, in dem du mir sagst, dass ihr euch schon längst getrennt habt?«
»Nein.« Er hielt eine lange, lange Sekunde inne. »Ich liebe sie, Michelle. Ich habe noch nie jemanden wie Becca kennengelernt. Ich würde sie heiraten, wenn Phil das will.«
»Wenn er dir das erlaubt, wohl eher. Außerdem ist eine Hochzeit nicht immer die beste Lösung. Manchmal macht das alles nur noch schlimmer.«
Michelle ließ sich auf das Sofa sinken. Ihre stürmischen Worte standen zwischen ihnen wie der dunstige Rauch nach einem Feuerwerk. Ihr war klar, dass sie zu viel gesagt hatte – so bestürzt und zugleich neugierig, wie Owen sie anstarrte, aus Angst, sie könne jeden Augenblick wieder in die Luft gehen.
Es ist nicht sein Fehler, ermahnte sie sich. Hier geht es um ihn, nicht um mich.
Owen setzte sich neben sie, und gemeinsam starrten sie in den sorgsam restaurierten viktorianischen Kamin, den Michelle nie angezündet hatte. Dort, wo sich die Feuerstelle befand, lag ein Haufen von gleichgroßen, goldfarben angesprühten Kiefernzapfen.
Stille breitete sich aus, die nur von Tarvish unterbrochen wurde, der herbeigetrabt kam und neben Michelle aufs Sofa sprang. Sie ließ ihn gewähren.
»Michelle, habe ich irgendetwas gesagt, das dich so aufgeregt hat? Hab ich dich persönlich angegriffen? Habe ich irgendetwas nicht mitbekommen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nein.«
»Du und Harvey, ihr hattet keine Kinder. Gab es da irgendeine …«
»Das hat mit Harvey nichts zu tun«, entgegnete Michelle. Sie hatte Mühe, es auszusprechen. Düstere Gedanken fegten durch ihren Kopf. »Ich war damals achtzehn. Ich dachte, ich wüsste alles; als ich dann von der Schule geworfen wurde, war es, als wäre ich eines Morgens plötzlich in dem Leben eines anderen Menschen aufgewacht. Ich weiß, wie Becca sich fühlt, das ist alles. Und ich habe Anna hoch und heilig versprochen, dass so etwas nicht passieren würde. Dabei hatte sie eine solche Angst vor genau dieser Situation, doch ich habe ihr versichert, dass du verantwortungsvoll bist.«
»Das war ich auch«, erwiderte Owen niedergeschlagen. »Ich schwöre dir, wir haben nur zweimal miteinander geschlafen.«
»Wird euch in der Schule eigentlich nicht mehr beigebracht, wie man verhütet? Da reicht ein einziges Mal ungeschützter Verkehr!«
»Das weiß ich. Und hallo, nicht nur der Kerl muss sich darum kümmern.« Owen sah sie verletzt an. »Du tust gerade so, als hätte ich sie dazu gezwungen, was ich nicht getan habe. Überhaupt nicht . Ich sage es noch mal: Ich habe noch nie so etwas für ein Mädchen empfunden. Ich wäre bereit gewesen, so lange damit zu warten, bis …«
»Was du offensichtlich aber nicht getan hast«, unterbrach ihn Michelle.
Oh Gott. Arme Anna. Das tat Michelle in der Seele weh. Wie sollte da noch ihr eigenes Baby hineinpassen? Es wäre mal wieder typisch für Anna, darauf zu bestehen, Beccas Baby aufzuziehen, anstatt ein eigenes Baby zu bekommen. Und Phil wäre wahrscheinlich sehr dafür.
Owen erhob sich vom Sofa.
»Wo gehst du hin?«, erkundigte sich Michelle. »Wir sind hier noch nicht fertig.« Sie konnte zwar nicht die Tür versperren, aber ganz gleich, wie vernünftig er jetzt wirkte, die Versuchung, sich einfach aus dem Staub zu machen, musste übermächtig
Weitere Kostenlose Bücher