Der Prometheus-Verrat
anfälliger und birgt jede Menge Risiken.« Die im Rücken von Gregson Manning untergehende Sonne setzte ihm einen Strahlenkranz auf, der seine ohnehin schon starke Aura noch sehr viel intensiver erscheinen ließ. »Sie sind Unternehmer. Schauen Sie sich um. Was sehen Sie? Atomisierte Kapitalmärkte. Arbeitsmärkte, die in Auflösung begriffen sind. Pyramidal strukturierte Organisationen weichen beweglichen, sich selbst organisierenden Kooperationsformen. All das zwingt uns zu Zusammenschlüssen, zur Vernetzung, zur Entwicklung gemeinsamer Strategien, zu Verantwortlichkeiten, die mehr bezwecken als den Schutz des Eigentums. Informationskanäle sind rekombinant. Darum muss auf allen Ebenen eines Unternehmens größtmögliche Transparenz herrschen. Kurz und gut, ich will kein Referat halten, sondern nur im Ansatz zum Ausdruck bringen, was wir uns alle längst mehr oder weniger konkret als Zukunft unserer Wirtschaft vorstellen.«
Parker staunte über Mannings Worte. »Wenn man Ihnen so zuhört, könnte man den Eindruck gewinnen, dass Systematix mit einem Unternehmen im eigentlichen Sinne nichts mehr zu tun hat.«
»Nennen Sie es, wie Sie wollen. Traditionell geführte Unternehmen stehen jedenfalls auf verlorenem Posten. Mit
der Ära des selbstherrlichen Unternehmertums ist es ein für alle Mal vorbei. Nach den Worten des Dichters Robert Frost machen gute Zäune gute Nachbarn. Der Meinung bin ich nicht. Was heute gebraucht wird, sind durchlässige, transparente und bewegliche Grenzen. Wer Erfolg haben will, muss im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Kopf durch die Wand gehen können.« Manning legte eine kurze Pause ein. »Aber wir sollten es uns leichter machen, und die Wände vorher niederreißen.«
An Parker gewandt, sagte Alex Garfield: »Ich will nicht behaupten, den Ausführungen von Mr. Manning Punkt für Punkt folgen zu können. Aber die Wirtschaftsdaten sprechen für sich. Lange Rechtfertigungsversuche sind, wie ich finde, überflüssig. Und mir scheint, er hat Recht, wenn er sagt, dass die kleine selbstständige Unternehmenseinheit nicht mehr zeitgemäß ist. Die neue Losung heißt Integration.«
»Die Mauern müssen fallen«, ergänzte Manning und straffte seine Schultern. »Das ist nach meinem Dafürhalten die Quintessenz des Fortschritts. Sie könnten einwenden, dass wir auf diesem Weg zurück ins Zeitalter der industriellen Revolution geraten. Die industrielle Revolution hat die Arbeit in Einzelaufgaben aufgeteilt. Wir wollen jedoch Einzelaufgaben zu Arbeits prozessen zusammenfassen, die ganz und gar nachvollziehbar und transparent sind.«
Irritiert von Mannings Redeschwall, versuchte Parker, seine Position zu behaupten: »All die neuen Technologien, in die Sie investiert haben, die Netzwerktechnologien und so weiter … nun, ich verstehe nicht ganz, welches Konzept dahintersteckt. Und dann erfährt man über diesen FCC-Bericht, dass Systematix vorhat, eine ganze Flotte von Satelliten in die Umlaufbahn zu schicken. Warum? An Bandbreite mangelt’s doch wahrhaftig nicht. Wozu diese Satelliten?«
Manning nickte, als wäre er für die Frage dankbar. »Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir über unseren Tellerrand hinausblicken.«
Zustimmendes Gelächter wurde laut.
»Ich habe bislang nur über das Geschäftliche gesprochen«, fuhr Manning fort. »Aber denken wir doch auch einmal an unser Privatleben. Nach unserer Verfassung ist es die eigentliche Domäne unserer persönlichen Freiheit.« Manning setzte eine ernste Miene auf. »Leider ist aber die Privatsphäre für viele alles andere als frei und stattdessen von Missbrauch und Gewalt geprägt. Wir kennen die Schreckensnachrichten: von Vergewaltigung und Mord, von bewaffneten Marodeuren, die unsere Städte unsicher machen. Fragen wir doch mal die Opfer, was sie von dieser Freiheit halten. Ich meine, Freiheit macht in unserem heutigen Informationszeitalter nur noch Sinn als Freiheit von etwas – als Freiheit von Gewalt, von Missbrauch, von Verletzung. Und wenn Systematix einen Beitrag dazu leisten kann, diese Freiheit zu erreichen, ist das eine Chance, die es so in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben hat. Wir können für eine nahezu umfassende Sicherheit sorgen. Überwacht werden wir auf die eine oder andere Weise seit eh und je – schon als Kleinkinder durch das Babyfon, später über Kameras in Fahrstühlen, Parks und Unterführungen. Mittlerweile gibt es ganz ausgefeilte Sicherungs- und Alarmsysteme, die allerdings vorerst nur einer
Weitere Kostenlose Bücher