Der Puppenfänger (German Edition)
habe mich krankschreiben lassen«, gestand Beate, als Heide ihr das Wasserglas reichte, und fügte beschämt hinzu: »Du wunderst dich sicher, wie schrecklich es in der Küche aussieht, aber meine Geschirrspülmaschine hat ihren Geist aufgegeben, und der Monteur meinte, eine Reparatur lohne sich nicht. Ich habe eine neue bestellt. Sie wird erst nächste Woche geliefert. An manchen Tagen läuft wirklich alles schief. Am Montagnachmittag streikt die Spülmaschine, und abends verliere ich mein Portemonnaie. Vielleicht hat man es mir geklaut.«
»Es wird sich gewiss wieder einfinden!«
Beate stand hektisch auf, durchquerte einige Male den Wintergarten, blieb irgendwann vor einem hölzernen Blumenhocker stehen, betrachtete scheinbar interessiert die welken Blätter eines Alpenveilchens, pflückte eines ab und zerriss es in viele Einzelteilchen.
»Ja, ich hoffe, du hast recht und es taucht wieder auf.«
»Thomas Orthes erinnert mich an deinen Herrn Freitag, Beate.«
Beates Gesicht überzog sich mit einer gleichmäßigen Röte. Sie sah Heide nicht an, sondern heftete ihren Blick starr auf die hellen Bodenfliesen. »Freitag? Wieso Freitag? Tommy und er haben nichts, aber wirklich gar nichts Gemeinsames.«
»Doch, finde ich schon. Sie ähneln sich, zumindest äußerlich.«
»Das ist nicht wahr«, widersprach Beate lautstark. »Sie ähneln sich nicht.«
Heide lächelte Beate liebenswürdig an und begann ihren Feldzug: »Wenn du mit meiner Arbeitsweise nicht einverstanden bist, ziehe ich mich gerne zurück. Möglicherweise taucht dein Schwager bereits morgen gesund und munter wieder auf.«
»Das wird er nicht.«
»Weswegen bist du dir da so sicher?«
»Ich fühle es, Heide. Intuition! Nenne es, wie du willst.«
»Ah so«, spöttelte Heide. »Verstehe! In-tu-i-tion!«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Eigentlich hatte ich angenommen, du unternimmst irgendetwas, wirst auf der Stelle aktiv, aber bisher bist du mir keine große Hilfe.«
Heide ignorierte den vorwurfsvollen Tonfall und erwiderte: »Ich würde gerne heute Abend mit dir die Dorfschenke besuchen. Sie bieten dort elf unterschiedliche Schnitzelgerichte an. Ich hatte keine Ahnung, dass es möglich ist, ein Schnitzel in dieser Vielfalt zu servieren.«
»Eigentlich dachte ich, es wäre am besten, du würdest dich zuerst einmal mit Simone über Gerald unterhalten. Sie kennt seine Gewohnheiten am besten.«
»Wir laden deine Schwester und deine Nichten heute zu einem gemütlichen Abendessen ein. Ich denke, die Wirtsleute werden auch außer Haus liefern. Bei einer leckeren Mahlzeit spricht es sich besonders angenehm.«
»Ich begreife zwar nicht, was das bringen soll, aber wenn du meinst, es hilft uns weiter, dann rufe ich Simone an und sage ihr Bescheid.«
»Ja, mach das bitte«, stimmte Heide zu. »Möchtest du, dass wir den Abwasch gemeinsam erledigen, oder besitzt du genügend sauberes Porzellan, um heute Abend damit den Tisch einzudecken?«
»Nein!«, erwiderte Beate knapp.
»Okay, waschen wir also gemeinsam ab, und anschließend gibst du mir bitte eine Decke. Ich möchte mir liebend gerne in deinem Garten die Abendsonne ins Gesicht scheinen lassen. Kannst du dich erinnern, dass uns jemals in einem April so reichlich Sonnenschein geschenkt wurde wie in diesem Jahr?«
Beate presste verärgert die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf.
*
Die Rentner Ingrid und Knut Langenhaus waren seit dem letzten Sommer stolze Besitzer eines eingeschossigen Holzhauses im Landkreis Emsland, nahe der Stadt Haren. Das Häuschen stand auf einem kleinen, gut eingewachsenen Grundstück im Ferien- und Freizeitzentrum Schloss Dankern und bot dem Ehepaar auf etwa dreißig Quadratmetern Wohnfläche alles, was sie sich für ihr Feriendomizil wünschten. Das Urlaubszentrum war zu Beginn der Siebzigerjahre gegründet worden, um die wirtschaftliche Grundlage für die Erhaltung des barocken Wasserschlosses Dankern zu sichern. Im Laufe der Zeit war eine Anlage mit Ferienhäusern und vielfältigen Spiel- und Sportmöglichkeiten entstanden, deren Herzstück das sanierte Schloss bildete.
Entscheidend für den Kauf der Immobilie war für Ingrid und Knut, die ihre Rente im Ruhrgebiet verdient hatten, allerdings nicht das 500 Jahre alte Wasserschloss gewesen, sondern der See mit Bademöglichkeit. Sie waren beide ausgesprochene Wasserratten und trauten sich bereits ins kühle Nass, wenn die anderen Feriengäste noch in dicken Jacken und Gummistiefeln über den Sandstrand
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