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Der Puppenfänger (German Edition)

Der Puppenfänger (German Edition)

Titel: Der Puppenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joana Brouwer
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Frühlingsblüher ihre bunten Köpfchen ins Freie streckten.
    Die großflächigen Grabsteine waren Anfang des letzten Jahrhunderts aus Bentheimer Sandsteinen gefertigt worden. In den Stein der Familie Rosenbring hatte man als letztes Datum Alexandra Rosenbrings Sterbetag eingraviert. Sie war am 13. Mai 1974 geboren worden und im September 1992 im Alter von achtzehn Jahren gestorben. An dem Geburtsdatum meinte Heide erkennen zu können, dass es sich bei der Verstorbenen um die Alexandra Rosenbring handelte, die wie Frau Sandra Bochmann, zu der Helen bereits Kontakt aufgenommen hatte, eine Schülerin des Windthorst-Gymnasiums in Meppen gewesen war. Heide setzte sich auf eine schmiedeeiserne Bank, die vor den Grabstätten stand, und musterte nachdenklich beide Steine. An den sich stets wiederholenden Geburtsnamen der Frauen erkannte sie, dass die Mitglieder der Familien seit etwa hundert Jahren immer wieder untereinander geheiratet hatten. Die Familien Wanner und Rosenbring waren ganz offensichtlich miteinander verwandt.
    »Was fällt dir zu den Inschriften der Grabsteine ein, wenn du sie miteinander vergleichst?«, fragte Dieter.
    »Ich denke, dass beiden Familien am 12. April vor zwei Jahren unermessliches Leid zugestoßen ist. An diesem Tag starben die knapp 35-jährige Christina Wanner, geborene Rosenbring, und zwei sechs, fast siebenjährige Mädchen«, erwiderte Heide bedrückt. »Sabine und Susanne Wanner wurden am selben Tag geboren. Sie werden Zwillingsschwestern gewesen sein, ebenso wie Christina und Alexandra, vor deren Namen auch dasselbe Geburtsdatum eingraviert wurde. Sagt man nicht, dass Zwillingsgeburten in bestimmten Familien gehäuft auftreten?«
    Dieter setzte sich neben Heide. »Wenn ich es mir genau überlege, kann ich mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass diese drei Personen unter einer lebensbedrohlichen Krankheit gelitten haben, die am selben Tag wie zufällig zum Tode geführt hat. Ursächlich für ihren Tod könnte ein Unfall gewesen sein. Vielleicht ein Flugzeugabsturz, ein Verkehrsunfall oder ein Schiffsunglück. Wer weiß? Möglicherweise kommt auch ein Verbrechen in Betracht. Obwohl ich mir fast sicher bin, dass wir uns hier auf einer falschen Fährte bewegen, die uns weder zu dem vermissten Schöllen noch zu Laxhoffs Mörder führt, werde ich noch heute von Torben Cinke recherchieren lassen, woran Christina Wanner und ihre beiden Kinder gestorben sind. Torben hat heute Innendienst.«
    Vor dem Grabstein der Familie Rosenbring lag ein üppiges Blumenbukett aus weißen Lilien und großflächigem Bindegrün. Manche Blütenblätter waren verwelkt. Vermutlich hatten die Blumen bereits seit einigen Tagen ohne Wasser auskommen müssen. An den gebundenen Stielenden des Buketts war ein breites weißes Band befestigt. Im einfallenden Sonnenlicht leuchteten goldfarbene Buchstaben auf.
    »Dieter, kannst du erkennen, was auf die Schleife geprägt wurde?«
    Er erhob sich zwar und stieg über die niedrige Buchsbaumhecke, aber noch bevor er die Schleife so drapierte, dass der Text gut zu lesen war, winkte er ab. »Ich denke, du liegst mit deinem ansonsten bewundernswerten Spürsinn ausnahmsweise einmal daneben. Du hast zu viel in die Andeutungen einer alten Dame hineininterpretiert. Wahrscheinlich wollte sie sich wichtigmachen, und du bist ihr auf den Leim gegangen.«
    Heide blickte sich um. Wenige Meter entfernt bepflanzten eine ältere Frau und ein etwa zehnjähriges Mädchen eine schmale Grabstätte mit rötlich knospenden Petunien. Die Gärtnerinnen gehörten wahrscheinlich in die Kategorie der Menschen, die nicht ohne Grund Optimisten genannt wurden. Auf jeden Fall waren sie der Meinung, das Wetter würde keinen Frost mehr bringen, und setzten deswegen die Pflanzen vor den Eisheiligen ins Freie. Sie unterhielten sich angeregt, drehten aber beide Heide und Dieter den Rücken entgegen. Heide nahm ihren Fotoapparat aus der Handtasche, stellte sich neben Dieter und fotografierte den Grabschmuck samt der bedruckten Schleife. Möglicherweise gelang es ihr, anhand des Fotos in Erfahrung zu bringen, in welcher Friedhofsgärtnerei der Text aufgedruckt worden war.
    »Bisher bin ich davon ausgegangen, dass diese Prägeschleifen ausschließlich an Grabkränzen oder Gestecken befestigt werden, die man zu einer Beerdigung mitbringt. Mit Beschriftungen wie Der letzte Gruß oder Ähnlichem«, kommentierte Heide fast empört, als sie den Fotoapparat zurück in ihre Handtasche steckte. »Nie zuvor habe ich

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