Der Purpurkaiser
erfolgreich gewesen war? War Pyrgus womöglich bereits tot? Das würde er sich nie verzeihen und Blue ihm bestimmt auch nicht.
Seine Kräfte kehrten langsam zurück, aber je besser sein Gehirn wieder funktionierte, desto schlechter fühlte er sich. Auf einmal stand ihm wie aus dem Nichts ein Bild vor Augen: Pyrgus, Blue und Mr Fogarty, die tot in einem Wald lagen. Er hatte es gesehen. Er wusste, dass er es gesehen hatte. Aber wo?
Er versuchte sich einzureden, dass das Ganze nicht mehr Bedeutung hatte als ein Traum. Herrgott noch mal, es war wahrscheinlich bloß ein Traumbild! Nur, dass er das nicht glaubte, kein Stück. Er musste herauskriegen, was mit Pyrgus und Blue passiert war. Und zwar sofort!
Stolpernd machte er sich auf den Weg nach draußen. Als er bei der Tür ankam, merkte er, dass er beobachtet wurde.
Siebenunddreissig
E s war schön, wieder frei zu sein. Nicht bloß freigelassen aus dem Gefängnis, wenngleich das auch etwas Feines war, sondern frei von Verantwortung. Mit einem kleinen bisschen Glück vergaß Hairstreak ihn jetzt – der Himmel wusste, dass dieser kleine Stinkstiefel schon genug damit zu tun haben würde, das Reich zu lenken. Chalkhill kratzte sich am Ohr. Vielleicht wäre es sinnvoll, als Vorsichtsmaßnahme den Namen zu ändern, in etwas Heldenhaftes vielleicht, Lime Hawk oder so, aber davon einmal abgesehen, konnte er gehen, wohin er wollte, und tun und lassen, was er wollte. Seinen Landsitz verkaufte er am besten und machte mit dem Erlös einen neuen Anfang, stattete vielleicht seinem ehemaligen Partner Brimstone einen Besuch ab – ein unangenehmer Bursche, der aber zugegebenermaßen etwas vom Geschäftemachen verstand. Wie das alte Sprichwort sagte: Die ganze Welt war sein Kokon.
Aber erstmal musste er diesen Wurm loswerden.
Das Messingschild besagte schlicht Dr. Vaporis und war so unauffällig wie die ganze Klinik.
Chalkhill war hier früher schon einmal gewesen, um sich ein kleines peinliches Problem vom Leib zu schaffen, das er sich in einer Tätowierstube angelacht hatte. Die Klinik war teuer, dabei diskret und auf gewissen Gebieten extrem versiert. Er war sich mehr als sicher, dass man hier den Wurm in einem Bruchteil der Zeit entfernen konnte, die der Larvenmeister angegeben hatte – und schmerzlos obendrein.
Er streckte die Hand aus, um zu klingeln, doch der Wurm ließ seinen Arm erstarren.
»Was soll das denn, bitteschön?«, fragte Chalkhill verärgert. Tatsächlich war er regelrecht bestürzt – ihm war gar nicht klar gewesen, dass der Wurm eine solche Kontrolle über seinen Körper hatte. Aber vielleicht hielt er sie ja nicht lange durch, vielleicht ließ sich der wurmende Einfluss mit einiger Anstrengung überwinden. Vorsichtig versuchte Chalkhill, den Arm zu bewegen, aber die Erstarrung blieb.
»Das möchtest du doch eigentlich gar nicht«, sagte der Wurm munter in seinem Kopf.
»Nicht?«
»Nein«, bekräftigte der Wurm. »Nicht, bevor du gehört hast, was ich zu sagen habe.«
Chalkhill ächzte im Stillen. Das Viech wollte sich wieder zu einer seiner endlosen philosophischen Erörterungen aufschwingen, jede Wette. »Cyril«, sagte er ruhig, »es war mir ein Vergnügen, deine Bekanntschaft zu machen, aber nun ist es an der Zeit, dass wir wieder getrennte Wege gehen.« Ein älteres Ehepaar, das gerade an ihm vorbeikam, warf ihm einen befremdeten Blick zu, aber das war Chalkhill egal. »Du ziehst es doch bestimmt auch vor – «
»Ich habe Anweisung, dich anzuwerben«, unterbrach Cyril ihn.
Chalkhill blinzelte. »Mich anzuwerben?«
»Du bist ein Mann von Intelligenz«, sagte der Wurm gewandt. »Sicher ist es dir nicht entgangen, dass das Reich gerade vor die Hunde geht. Elfen gehen einander nur deshalb an die Kehle, weil ihre Augen die falsche Form oder weil sie den falschen Glauben haben. Der eine Kaiser ist ermordet worden, der andere wurde abgesetzt, bevor er überhaupt gekrönt worden ist. Die ständige Gefahr eines Krieges. Der wirtschaftliche Niedergang. Habgier und Hedonismus an der Tagesordnung. Die alten Werte zählen nicht mehr. Wären die Portale nicht dicht, das ganze Kaiserreich wäre längst den Bach runtergegangen.«
»Nun ja, perfekt läuft es sicher nicht«, pflichtete Chalkhill bei und hoffte, dass der Wurm seinen Arm bald freigab. Es tat inzwischen ganz schön weh. »Aber früher war es auch nicht viel besser und viel dagegen tun kann man ohnehin nicht, wenn du also vielleicht meinen Arm jetzt – «
»Und ob man etwas dagegen
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