Der Purpurkaiser
anlächelte.
»Glauben Sie, er braucht noch lange?«, fragte Henry.
»Wer?«
»Pyrgus.«
»Pyrgus ist nicht da.«
»Nicht?«
»Natürlich nicht.«
Henry blinzelte. »Warum haben Sie mich dann hierher gebracht?«
Quercusia sah nach oben und betrachtete einen Punkt an der Wand, knapp unter der Decke. »Weil du zu seinen Gemächern wolltest.«
Henrys ungutes Gefühl verstärkte sich. Er runzelte die Stirn, dann setzte er ein knappes, nervöses Lächeln auf. »Eigentlich meinte ich damit, dass ich zu Pyrgus wollte.«
Sie richtete ihre schlehenschwarzen Augen wieder auf ihn. »Das geht nicht. Pyrgus ist im Exil.« Für einen kurzen Moment sah sie stolz aus. »Mein Sohn ist jetzt der Kaiser.« Sie blinzelte mehrmals wie jemand, der aus tiefem Schlaf erwachte. Auf einmal war ihr Gesicht sehr ernst. »Ich glaube, ich lasse dich besser ins Gefängnis werfen. Weil du so gemein bist.«
Henry überlief es eiskalt. Er schluckte und bewegte sich langsam zur Tür. »Euer Majestät – «, sagte er, um ihr ihren Willen zu lassen.
Sie läutete keine Glocke und gab auch sonst kein Signal, das er mitbekommen hätte, aber auf einmal wimmelte es im Zimmer von kräftigen Männern.
»Sperrt ihn ins Verlies!«, kreischte Quercusia. Ihre Augen waren weit aufgerissen und in ihren Mundwinkeln stand Speichelschaum. »Sperrt ihn ins Verlies und werft den Schlüssel weg!«
Vierzig
D a der Ouklou völlig den Geist aufgegeben hatte und sich nicht vom Friedhof rühren wollte, traten die Brimstones ihre Hochzeitsreise in einem Zweisitzer an. Es handelte sich um ein unkomfortables, schlecht gefedertes Fahrzeug, das dafür aber preiswert und in offenem Gelände erstaunlich schnell war – so hatte ihnen der Mann von der Verleihfirma jedenfalls versichert. Für Brimstone war die geringe Größe das Schlimmste daran. Der Platz reichte nicht, um von Madame Brimstone wegzurücken, die an seinem Arm hing und zufrieden vor sich hin seufzte, während er wie versteinert zum offenen Fenster hinausstarrte.
Das eingebaute Navigationssystem war für die Stadt bestimmt und wurde mit den verschlungenen Gassen von Cheapside spielend fertig. Es kam sogar mit Westgate klar, einer Gegend, die wegen des Quarzgehalts der felsigen Bodenschichten bekanntermaßen eine Herausforderung für Präzisionszauber darstellte. Sobald der Zweisitzer aber das Stadtgebiet hinter sich gelassen hatte, blieb er abrupt in der Luft stehen und wartete auf weitere Instruktionen.
»Die Koordinaten der Hütte, meine Teure?«, fragte Brimstone und zwang sich zu einem Lächeln.
Madame Brimstone erwiderte es. »80-42«, hauchte sie.
»Im Ernst?«, fragte Brimstone. »So tief drinnen?« Er beugte sich vor und wiederholte die Nummern für das Armaturenbrett des Zweisitzers; dort wurden sie verarbeitet und kurz darauf hielten sie in nordwestlicher Richtung auf den Wald zu. Brimstone lehnte sich zurück und bewunderte die Aussicht, während er den Druck von Madame Brimstones Hand auf seinem Knie zu ignorieren versuchte.
Sie erreichten die Hütte in knapp neunzig Minuten. Brimstones Laune stieg ein wenig, als sich die Lichtung vor ihnen öffnete. Er hatte ein Blockhaus erwartet, das zwar einigermaßen behaglich, aber klein war. Stattdessen lag ein Prachtbau vor ihm – aus Holz, gewiss, aber von einem Architekten erbaut und geräumig. Hier war ein Haufen Geld investiert worden, und das war, da man in einem so verschwiegenen Winkel keine Illusionszauber einsetzen musste, auch zu sehen.
»Gefällt dir mein kleines Versteck?«, fragte Madame Brimstone, als sie von dem Zweisitzer stieg.
Brimstone antwortete nicht. Er war zu sehr damit beschäftigt, durchzurechnen, wie viel vom Hausverkauf nach Abzug der Bestattungskosten für seine schmerzlich vermisste Gattin wahrscheinlich noch übrig bleiben würde.
Obwohl die Vitrine eine große Auswahl dienstbarer Geister in altertümlichen Messingflaschen anbot, bestand Madame Brimstone darauf, das Essen persönlich zu kochen. Das weckte sofort sein Misstrauen. Er wäre gar nicht auf die Idee gekommen, dass sie ihn gleich in der Hochzeitsnacht zu vergiften versuchte – üblicherweise wartete man doch ein paar Wochen, damit es nicht ganz so verdächtig wirkte –, aber das hier sah ihm gar nicht gut aus.
Ein paar Minuten nachdem sie in der Küche verschwunden war, spazierte er dort ganz unschuldig herein in der Hoffnung, sie auf frischer Tat zu ertappen, aber sie scheuchte ihn prompt wieder hinaus.
»Hier drin hat ein Mann nichts
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