Der Purpurkaiser
hatte, dringend aufs Klo zu müssen. Das Schwindelgefühl war auch schon wieder vorbei, stattdessen spürte er jetzt eine seltsame… Leere, als fehlte in seinem Kopf etwas.
Cossus zog die Nadel heraus und tupfte einen winzigen Blutstropfen an der Einstichstelle ab. »Ich stelle sicher, dass wir uns vertraulich unterhalten können. Wie geht es Ihrem Po?«
Chalkhill fuhr auf. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Ihre Nase nicht in meinen Po steckten.«
Cossus schloss kurz die Augen und seufzte. »Ich wollte mich lediglich vergewissern, dass Ihr Wangaramas ausgeschaltet ist.«
»Das ist er durchaus«, sagte Chalkhill und runzelte die Stirn. »Aber ich werde keine weiteren persönlichen Fragen beantworten, solange Sie mir nicht erzählen, was los ist.«
»Ich muss mit Ihnen reden«, seufzte Cossus, »also habe ich unsere Würmer schlafen gelegt. Sie werden sich mindestens eine Stunde lang nicht rühren, was ausreichen sollte. Ich habe ein bisschen Lethe mit hineingetan, also werden sie sich nicht einmal mehr daran erinnern, was passiert ist.«
Chalkhill starrte ihn misstrauisch an. »Worüber wollen Sie denn mit mir reden?«
»Vielleicht sollte ich das beantworten«, sagte eine wohl bekannte Stimme hinter ihm.
Chalkhills Herz machte einen Satz, sein Hodensack schnurrte bedrohlich zusammen und eine Welle eisiger Schauer jagte durch seinen Körper. Er wollte sich nicht bewegen, wollte nicht sehen, wer da hinter ihm stand, aber seine Füße bewegten sich trotzdem, drehten ihn selbstständig langsam um. Er setzte ein klägliches kleines Lächeln auf.
»Wie schön, Euch wieder zu sehen, Lord Hairstreak«, sagte er.
Achtundsechzig
» W ohin gehen wir?«, fragte Henry. Er war völlig verblüfft über das, was Pyrgus und Blue ihm gerade erzählt hatten – vor allem über die Tatsache, dass man jemanden von den Toten zurückholen konnte.
»Wir müssen meinen Vater aus Hairstreaks Klauen befreien«, sagte Blue ernst.
»Er ist hier im Palast? Und Hairstreak auch?«
»Sie waren beide hier, als Comma uns ins Exil geschickt hat.«
Henry war Comma erst einmal ganz kurz begegnet und hatte ihn auf den ersten Blick nicht leiden können. Jetzt hatte Hairstreak ihn zum Herrscher über das gesamte Reich gemacht. Oder wenigstens zu seinem Strohmann.
»Es könnte zum Kampf kommen«, sagte Blue. »Es wäre am sichersten, wenn du hinten bleibst.«
Henry blinzelte. Er hatte sich nie gern auf einen Kampf eingelassen, höchstens vielleicht mit seiner Schwester, aber ihm war klar, dass die Dinge im Elfenreich anders lagen. Auf gar keinen Fall würde er sich wie ein Angsthase hinter einer Gruppe verstecken, zu der Blue gehörte. »Ich bleib lieber vorn«, sagte er. Und wagte hinzuzufügen: »Bei dir.« Er lächelte scheu.
Nymphalis sagte: »Du hast keine Waffe.«
Henry und Blue funkelten sie wütend an, aber Pyrgus sagte nur gelassen: »Dann gib ihm eine.«
Nymphalis zuckte die Achseln und gab Henry ihr Schwert. Es war weit schwerer, als es aussah, und sein Arm sackte nach unten. Um sein Missgeschick zu überspielen, fragte er rasch: »Wirst du es nicht brauchen?«
Nymphalis sah ihn ausdruckslos an. »Ich bin im waffenlosen Kampf ausgebildet. Außerdem habe ich meine Elfenpfeile.« Sie sah auf das baumelnde Schwert hinunter. »Weißt du, wie man es benutzt?«
»Ja«, sagte Henry prompt. »Ich bin ein Experte.«
Sie bewegten sich flink durch die Gänge des Palastes, ohne auf Widerstand zu stoßen – zunächst. Mehrere Schwestern der Seidengilde hatten sich Pyrgus’ kleinem Trupp angeschlossen. Keine von ihnen trug sichtbare Waffen, aber Henry hatte gelernt, die Herrinnen nicht zu unterschätzen.
Blue sagte: »Henry, ich glaube – « Und brach ab. Als sie gerade um eine Ecke gebogen waren, kam ihnen jemand entgegen, flankiert von einer Eskorte aus sieben hoch gewachsenen Soldaten.
Comma.
Beide Trupps blieben abrupt stehen. Pyrgus hob die Hand, um Nymph unauffällig zu signalisieren, dass sie sich zurückhalten sollten. Von den Seidenherrinnen abgesehen, die sich ohnehin offiziell im Palast aufhielten, trugen sie alle die Uniformen des Hauses Hairstreak. Es bestand eine kleine Chance, dass man sie nicht erkannte, wenigstens nicht sofort.
Tatsächlich spiegelten Commas Augen keinerlei Erkennen. Pyrgus spürte eher, als dass er es sah, wie Nymph schützend näher kam. Zahlenmäßig waren sie leicht im Vorteil, aber er wollte nicht, dass Comma verletzt wurde. Der Bursche hatte viele Fehler, aber er war immer
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