Der Rache dunkle Saat - Booth, S: Rache dunkle Saat - One Last Breath

hören. Ich bekomm es auch dauernd zu hören, seit ich hier bin.«
    »Ja, sicher.«
    »Das ist eine ganz normale Reaktion, wenn jemand stirbt. Sergeant Joe Cooper ist zu einem großen Helden geworden, zum idealen Polizisten. Und damit kannst du nicht umgehen, hab ich Recht?«
    »Moment mal. Du denkst doch nicht etwa, dass ich meinen Vater gehasst hab...«
    »Nein, das will ich damit nicht sagen. Aber in gewisser Weise ist deine Erinnerung an ihn durch das heroische Bild ersetzt worden, das dir ständig vor Augen geführt wird. Ben, du wirst es nicht schaffen, deine eigene Erinnerung an ihn zurückzugewinnen, bis du bewiesen hast, dass er nicht das Musterbeispiel
an Perfektion war, für das ihn alle halten. Bis du bewiesen hast, dass er Fehler hatte, dass er ein Mensch war.«
    »Mag sein.«
    »Menschen müssen Fehler haben, damit man sie richtig lieben kann«, sagte Fry.
    Cooper stand ein wenig zu schnell auf und warf dabei den Bierdeckel auf den Boden.
    »Ich glaub, ich hol uns lieber noch was zu trinken«, sagte er.
     
     
    Will Thorpe lag in der verlassenen Scheune auf dem Rücken, rollte den Kopf hin und her und zuckte vor Schmerz zusammen. Er war seit langem an Schmerzen gewöhnt, doch das war etwas anderes. Das waren Schmerzen gemischt mit Furcht und Schock. Er wusste, dass seine Lippe blutete, und sein Hinterkopf tat dort weh, wo er auf einem Stein aufgeschlagen war. Außerdem hatte er sich nass gemacht – er spürte einen warmen, feuchten Fleck auf seinen Hosen. Doch zumindest saß er jetzt aufrecht mit dem Rücken an die Wand gelehnt da und hatte die Arme befreit und die Decke zu den Knien hinuntergeschoben.
    »Tut mir leid«, sagte eine Stimme. »Aber du darfst nicht so einen Lärm machen.«
    »Ich hab doch getan, was du von mir wolltest«, erwiderte Thorpe.
    »Oh ja. Aber wem hast du es noch erzählt?«
    »Niemandem.«
    »Das glaub ich dir nicht.«
    »Es stimmt aber.«
    »Wem hast du es erzählt, Will?«
    »Ich ersticke«, sagte Thorpe und zerrte an Quinns Händen. »Du erwürgst mich.«
    »Und warum sollte ich das nicht tun?«
    »Mansell, ich bin ein kranker Mann. Das weißt du doch.«

    Thorpe wusste, dass Quinn das Rasseln seiner Atmung hören konnte, das umso lauter wurde, je unruhiger er war. Er öffnete den Mund, damit das Geräusch nach außen dringen konnte, und nutzte seine beschädigte Lunge dieses eine Mal zu seinem Vorteil. Er konnte zwar Quinns Gesichtsausdruck nicht sehen, spürte jedoch, wie sich dessen Finger um seinen Hals leicht lockerten.
    »Ich sollte dich töten«, sagte Quinn. »Ich sollte dich von deinem Leid erlösen wie ein Tier.«
    Doch Thorpe war jetzt zuversichtlicher. Er kannte Mansell Quinn. Und Quinn war in seinen Augen nie besonders schlau gewesen.
    »Ich bin dein Kumpel, Mansell«, sagte er. »Weißt du nicht mehr?«
    »Schwachsinn. Du hast mich aufs Kreuz gelegt wie alle anderen auch.«
    »Nein.«
    »Kumpel? Toller Kumpel.«
    Einen Moment lang drückten die Finger wieder fester zu. Doch Quinns Griff fehlte es inzwischen an Entschlossenheit. Thorpe atmete keuchend ein und zwang sich, ruhiger zu werden. Seine Hände rutschten von Quinns Handgelenken ab, als hätte er keine Kraft mehr, seine Arme zu halten. Quinn ließ ihn sofort los, und Thorpe kippte nach hinten und betastete laut keuchend seinen Hals.
    »Mach nicht so ein Theater«, sagte Quinn. »Noch bist du nicht tot.«
    »Es ist meine Brust. Die ist total im Eimer, haben die Ärzte gesagt. Ich werd wahrscheinlich nicht mehr lange leben.«
    Quinn beugte sich vor. »Wenn du mich anlügst, Will, lebst du keinen einzigen Tag mehr. Dafür werd ich sorgen.«
    »Ja, okay, Mansell. Okay.«
    Mit einer blitzschnellen Bewegung packte Quinn Thorpe an der Jacke und schlug ihm den Kopf gegen die Wand.

    »Das solltest du mir lieber glauben«, sagte er. »Ich meine es nämlich ernst.«
    »Okay, ich hab doch gesagt, dass ich es dir glaube.«
    Quinn ging wieder in die Hocke, und es herrschte Schweigen. Thorpe konnte Wasser von Quinns Regenjacke tropfen hören und ein leises Rascheln, als dieser sich bewegte. Er drehte den Kopf zur Seite, weil er hoffte, sein Gesicht zu sehen. Doch er konnte nur die Umrisse einer dunklen Gestalt vor dem schwach erleuchteten Rechteck der Türöffnung erkennen.
    »Du hast es Rebecca erzählt, hab ich Recht, Will?«
    »Das war nicht meine Schuld«, erwiderte Thorpe. »Ich hab von der Polizei erfahren, dass sie umgebracht worden ist. Hast du …?«
    Er hörte Quinn scharf einatmen und hielt inne.