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Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None

Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None

Titel: Der Rache kaltes Schwert - Crombie, D: Rache kaltes Schwert - And Justice there is None Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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vielen der anderen Grabsteine das Gleiche stand, und sie spürte, wie heißer Zorn in ihr aufstieg, weil die Leute einfach nicht die Wahrheit sagen konnten. »Entschlafen« hieß, dass der betreffende Mensch wieder aufwachen, wieder zu einem zurückkommen würde, und das war etwas, was ihre Mutter niemals tun würde.
    Ihr Vater hatte ein wenig kalten Braten und Tee für die Trauergäste
vorbereitet, aber sie blieben alle nicht lange. Als der letzte Gast gegangen war, blickte Angel sich in der verwahrlosten Wohnung um; sie sah ihren Vater an, ausgezehrt, seine Augen lagen tief in ihren Höhlen, wie er in seinem Sessel zusammengesunken war, und sie fragte sich, wie sie das alles aushalten sollte.
    Mechanisch erledigte sie den Abwasch, und als ihr Vater vor dem Fernseher eingenickt war, schlich sie sich zur Tür hinaus.
    Die Thomasens waren alle zu Hause, sogar Ronnie, was dieser Tage eine Seltenheit war, und auch sie hatten sich vor dem Fernseher versammelt. Als Mrs. Thomas ihr bedeutete, sich auf das Sofa neben sie zu setzen, unternahm Betty einen ungeschickten Versuch, zur Normalität zurückzukehren »Heute tritt eine neue Band aus Liverpool auf, die soll ganz super sein.«
    Aber Angel hatte Wichtigeres im Sinn. »Mrs. Thomas, kann ich mit Ihnen reden?«
    »Aber natürlich, mein Kind.«
    »Ich meine, draußen in der Küche.«
    »Na, ich denke, du kannst eine ordentliche Tasse Tee gebrauchen nach so einem Tag«, sagte Mrs. Thomas, als sie sich erhob und Angel an den quadratischen, blank gescheuerten Küchentischführte. Den anderen rief sie über die Schulter zu: »Sagt uns nur ja Bescheid, wenn diese Jungs an der Reihe sind!«
    Nachdem sie Angel eine dampfende Tasse Tee mit Milch hingestellt hatte, setzte sie sich an den Tisch und griff nach dem Nähzeug, das ihr ständiger Begleiter war. »So, was hast du denn für einen Kummer, Kind?«
    Angel schluckte krampfhaft. »Mrs. Thomas – jetzt, wo meine Mutter tot ist … darf ich herkommen und bei Ihnen wohnen?«
    Mrs. Thomas starrte sie entgeistert an. »Du kommst vielleicht auf Ideen, Mädchen! Das ist das Verrückteste, was ich je gehört habe.«
    »Ich könnte das Zimmer mit Betty teilen, sie hätte nichts dagegen. Und essen tu ich auch nicht viel -«
    »Das hat damit gar nichts zu tun, Angel. Wir füttern dich sowieso schon die meiste Zeit durch, und das ist uns noch nie eine Last gewesen.
Aber du musst doch an deinen armen Vater denken. Wer soll sich denn in dieser schlimmen Zeit um ihn kümmern? Und was würden die Leute sagen, wenn ein weißes Mädchen plötzlich bei einer schwarzen Familie wohnt?« Sie schüttelte missbilligend den Kopf. »Du darfst nicht vergessen, wo dein Platz im Leben ist, Mädchen – und so was tut man ganz einfach nicht.«
    »Aber -«
    »Du weißt, ich liebe dich wie mein eigenes Kind, und Clive liebt dich genauso. Du warst der erste Mensch, der uns etwas Gutes getan hat, nachdem wir hierher gezogen sind, und das haben wir nie vergessen. Aber das heißt nicht, dass du nicht tun musst, was sich gehört, und das weißt du selbst ganz genau.«
    Angel konnte nur nicken. Sie starrte ihre Teetasse an und kämpfte mit den Tränen. Mrs. Thomas hatte natürlich Recht, doch auch wenn sie es im Grunde schon vorher geahnt hatte, traf sie die Zurückweisung nun wie ein Stich ins Herz. Und in diesem Augenblick verlosch das letzte Fünkchen Hoffnung in ihr.
     
    Nachdem Jane Dunn den Hörer aufgelegt hatte, stand sie eine Weile reglos da und starrte die gläserne Christbaumkugel an, die sie noch immer in der Hand hielt. Sie war am Morgen zu einer Baumschule in der Nähe gefahren, die zu ihrem Kundenkreis zählte, um einen Weihnachtsbaum zu kaufen, und hatte die größte Tanne ausgesucht, die sie hatte finden können. Jetzt ragte der Baum stolz bis zur Decke der alten Darre empor, behängt mit Dutzenden kleiner weißer Lämpchen und dem handgefertigten Glasschmuck, den sie Alex bei einer Reise in den Schwarzwald gekauft hatte, als der Junge zehn Jahre alt gewesen war. Sie war sich nicht sicher, ob sie gehofft hatte, der Baum würde ihn aufmuntern – oder vielleicht doch eher sie selbst.
    Was sie damit ausgelöst hatte, war eine Flut von Erinnerungen an seine Kindheit, an den ernsthaften, aber liebenswerten Jungen, der Alex gewesen war – ernst und still, wie es
Kinder oft sind, die überwiegend in Gesellschaft von Erwachsenen aufwachsen. Jane hatte keinerlei Erfahrung mit Kindern gehabt; und da sie es nicht besser wusste, hatte sie ihn immer wie

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